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Phil Hickes: The Haunting of Aveline Jones

Da ich in den letzten Wochen überraschend große Lust auf Geistergeschichten hatte, hatte ich mir „The Haunting von Aveline Jones“ von Phil Hickes zu Weihnachten gewünscht. Und ich muss sagen, dass es die perfekte Geschichte ist für einen gemütlichen Abend auf dem Sofa, während fette Regentropfen ans Fenster pladdern und es draußen grau und ungemütlich ausschaut. Die Handlung spielt Ende Oktober in dem kleinen Ort Malmouth an der Küste von Cornwall, wo Aveline die Herbstferien bei ihrer Tante Lilian verbringen soll, während ihre Mutter sich um Avelines Großmutter kümmert, die in Schottland im Krankenhaus liegt.

Aveline fürchtet, dass diese Ferien schrecklich langweilig werden, da Tante Lilian immer sehr streng wirkt und in Malmouth außerhalb der Touristensaison nur wenig los ist. Doch schon bei ihrem ersten Gang in den kleinen Ortskern findet Aveline in der wunderbaren Secondhand-Buchhandlung von Ernst Lieberman ein vielversprechendes Buch mit Geistergeschichten aus der Region. Geistergeschichten sind nämlich Avelines Leidenschaft, auch wenn sie bei ihr immer mal wieder für Albträume sorgen. Als Aveline dann noch herausfindet, dass das Buch früher Primrose Penberthy gehört hat und dass diese vor dreißig Jahren spurlos verschwunden ist, ist sie wild entschlossen herauszufinden, was aus Primrose geworden ist – und ob die mysteriöse letzte Geschichte in ihrem neuen Buch damit zu tun hat.

Was ich wirklich an „The Haunting of Aveline Jones“ mochte, ist die Tatsache, dass nicht nur Aveline und ihr neuer Freund Harold, der der Neffe des Buchhändlers ist, in die Ereignisse verwickelt werden, sondern dass auch Ernst Lieberman und Avelines Tante Lilian im Laufe der Geschichte ungewöhnliche und beunruhigende Dinge sehen und erleben. So bekommt man als Leser deutlich zu spüren, dass auch diese Erwachsenen nicht all diese rätselhaften und unheimlichen Ereignisse wegerklären können. Die Unterstützung, die Aveline und Harold durch die Erwachsenen bekommen, sorgt dann auch für diverse sehr gemütliche Szenen voller Geborgenheit, die ich sehr genossen habe und die einen wunderbaren Ausgleich zu all den bedrohlichen Elementen in der Geschichte bieten. Die Illustrationen von Keith Robinson sind wunderbar düster und tragen sehr zur gruseligen Atmosphäre in dem Buch bei. Vor jedem Kapitel gibt es eine karge Landschaft, in der sich ein Zitat von Primrose finden lässt, die Kapitelüberschriften werden von entlaubten Zweigen und fliegenden Blättern eingefasst und wichtige Elemente der Geschichte werden mit kleinen Zeichnungen noch einmal aufgegriffen.

Der gesamte Roman ist durchdrungen von der unangenehmsten Seite, die der Herbst an der Küste zeigen kann. Es regnet und stürmt, es ist kalt und unheimlich, und all das wird immer wieder durch Szenen in der überfüllten Buchhandlung oder vor dem gemütlichen Kaminfeuer unterbrochen. Für eine Geschichte, deren Zielgruppe Neun- bis Elfjährige sein sollen, fand ich die Handlung überraschend düster, aber ich habe all die unheimlichen und gefährlichen Elemente ebenso wie die heimeligen Szenen sehr genossen und ich bin mir sicher, dass ich das Buch irgendwann Ende Oktober noch einmal aus dem Regal ziehen und lesen werde. Außerdem soll es – laut der Rückseite meiner Taschenbuchausgabe – eine Fortsetzung mit dem Titel „The Bewitching of Aveline Jones“ geben, auf die ich mich schon jetzt freue, aber da habe ich bislang keinerlei Informationen über den genauen Veröffentlichungstermin finden können.

Iris Grädler: Am Ende des Schmerzes (Hörbuch)

„Am Ende des Schmerzes“ von Iris Grädler ist die Fortsetzung von „Meer des Schweigens“, wobei man die Titel unabhängig voneinander hören bzw. lesen kann. Die Autorin setzt auch bei dieser Geschichte auf drei Handlungsstränge, die lange Zeit unabhängig voneinander laufen und bei denen man sich als Hörer lange fragt, wie sie zusammengehören. Die Handlung beginnt damit, dass Collin Brown zu einem Autounfall gerufen wird, bei dem ein LKW-Fahrer mit seinem Fahrzeug ein verlassenes Pförtnerhaus gerammt hat. Als die Aufräumarbeiten beginnen, wird das Skelett eines Babys in dem alten Gebäude gefunden. Nun muss Collin ermitteln, wer früher an diesem Ort gelebt hat und welche Personen als mögliche Eltern für das getötete Kind in Frage kommen, und auch seine (ehemalige) Mitarbeiterin Sandra bekommt es an ihrem neuen Arbeitsplatz mit – auf den ersten Blick geringfügigen – Fällen zu tun, die irgendwie mit der ganzen Geschichte verwoben sind.

Parallel dazu kann man die Geschichte von Jill mitverfolgen, die früher eine erfolgreiche Turnierreiterin war, bis sie bei einem Vielseitigkeitswettbewerb mit ihrem Pferd stürzte und sich schwer verletzte. Seit diesem Sturz hat sie gemeinsam mit ihrem Vater einen Hof betrieben. Doch nachdem ihr Vater einen Schlaganfall hatte und ihre Schwester nun als Alleinbevollmächtigte über den Hof regiert, muss Jill zusehen, wie Claire all das verkauft, was Jill wichtig ist.  Der dritte – und kleinere – Handlungsstrang dreht sich um Evelyn, die auf den ersten Blick überhaupt nichts mit den Vorgängen in England zu tun hat. Die Deutsche lebt – mehr oder weniger – zufrieden mit ihrem älteren (und sehr wohlhabenden) Mann zusammen und scheint einzig für das Sammeln von kostbaren Puppen so etwas wie Leidenschaft zu entwickeln.

Auch bei „Am Ende des Schmerzes“ konzentriert sich Iris Grädler wieder auf eine ausführliche und unaufgeregte Darstellung der Charaktere, wobei die Autorin nur sehr langsam enthüllt, warum welche Figur sich wie entwickelt hat und welche Entscheidungen das Leben dieser Personen geprägt hat. Dabei wird aber von Anfang an deutlich, dass weder Jills, noch Evelyns Vergangenheit besonders harmonisch verlaufen ist – und für Jill bietet auch die Gegenwart wenig erfreuliches. Einzig ihre Liebe zu ihrem Turnierpferd Diamond bringt sie durch einen beschwerlichen Alltag, aber auch dieses Tier wird von ihrer Schwester zum Verkauf angeboten.

Ich muss gestehen, dass das große Geheimnis hinter all den Ereignissen recht offensichtlich war – vor allem, da schon Jills Persönlichkeit viel verraten hat -, aber das hat mich nicht daran gehindert gespannt den verschiedenen Entwicklungen zu lauschen. Mir geht es bei diesen Geschichten weniger darum mitzuermitteln, als um die Art und Weise wie man mehr über die Charaktere erfährt und wie all die Details am Ende ineinandergreifen. Auch finde ich es spannend, die verschiedenen Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven wahrzunehmen. Allerdings muss ich zugeben, dass es für mich bei den Collin-Brown-Hörbüchern schwierig ist, wenn ich längere Pausen mache, weil ich durch die regelmäßigen Perspektivwechsel und die vielen Charaktere erst wieder darauf kommen muss, welche Figur jetzt in welchem Zusammenhang mit welchen Ereignissen steht. Bei einem Roman würde mir das leichter fallen, weil ich mal eben ein paar Seiten zurückblättern und querlesen könnte.

Was Gabriele Blum angeht, so mag ich ihre Art die Krimis von Iris Grädler zu lesen. Die präsentiert die Geschichte ruhig und unaufgeregt und passt sich der gemächlichen Erzählweise der Autorin an. Bei mir sorgt das dafür, dass mich manche Passagen gerade deshalb tief berühren, weil mir niemand vorgibt, wie ich dabei zu fühlen habe. Außerdem fand ich es angenehm, dass die Sprecherin jeder Figur – und es kommen nicht so wenige vor – einen eigenen Ton verliehen hat, ohne dabei in übertriebene Extreme zu gehen.

Iris Grädler: Meer des Schweigens (Hörbuch)

In den letzten Monaten hatte ich ein paar Entscheidungsprobleme, wenn es um die Wahl neuer Hörbücher ging. Am Ende habe ich mich wegen Gabriele Blum, die ich in der Regel als Sprecherin mag, entschlossen, einen Versuch mit dem ersten Teil der Collin-Brown-Krimis, „Meer des Schweigens“, von Iris Grädler zu wagen. Ich muss zugeben, es war nicht die beste Wahl für ein „Gartenhörbuch“, denn wenn ich mal ein oder zwei Tage nicht in den Garten kam, hatte ich anfangs beim Weiterhören doch erstaunlich große Probleme mich wieder an all die Figuren zu erinnern. Dabei fand ich die Charaktere und ihre jeweiligen Handlungsstränge nicht uninteressant. Es waren nur so viele Personen und es gab zwischen den drei verschiedenen Gruppen so wenig Anknüpfungspunkte, dass ich mich häufig etwas verloren fühlte, wenn schon wieder der Name eine Nebenfigur fiel, die ich nicht auf der Stelle zuordnen konnte. Hätte ich die Geschichte als Roman gelesen, hätte ich gewiss weniger Probleme gehabt, weil ich 1. schneller lese als höre und 2. die Möglichkeit gehabt hätte kurz zurückzublättern, um meine Erinnerung aufzufrischen.

Der Haupthandlungsstrang dreht sich um den Polizisten Collin Brown, der seit ein paar Jahren in Cornwall lebt und arbeitet. Er hatte seiner Heimat Southampton den Rücken gekehrt, weil er nicht mehr jeden Tag mit den Gräueltaten leben konnte, die er in seinem Beruf zu sehen bekam. In Cornwall ist sein Dienst deutlich entspannter und er kann mehr Zeit mit seiner Frau und den drei Kindern verbringen. Gestört wird Collins Ruhe als erst ein toter Hund und wenig später ein toter Mann an die Küste geschwemmt werden. Beide wurden erst vergiftet und dann verstümmelt, was nahelegt, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Opfern gibt.

Parallel zu Collins Ermittlungen kann man die Geschichte von Elisabeth verfolgen, die zur Beerdigung ihres Bruders zurück nach England gekommen ist. Elisabeth hat vor vielen Jahren den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen, ist nach Australien ausgewandert und hat seitdem keinen Menschen aus der alten Heimat gesprochen. Ihre Rückkehr ist ihr sehr schwer gefallen, aber sie hofft, dass ihr Bruder ihr vielleicht ein Erbe hinterlassen hat, dass ihr helfen könnte, ihren kranken Sohn besser zu versorgen. Auch bei Su dreht sich fast alles um ihr Kind. Sie arbeitet als Putzfrau, um für sich und ihre Tochter aufzukommen, schwärmt heimlich für ihren Vermieter und bis eine neue Frau ins Leben dieses Herren tritt, scheint ihr Leben endlich eine Wendung zum Positiven genommen zu haben.

Alle drei Handlungsstränge werden sehr ruhig, atmosphärisch und ausführlich erzählt, was dazu führt, dass man die verschiedenen Figuren sehr gut kennenlernt und sich bei jeder (in der Regel eigentlich sehr harmlosen) Szene fragt, wie das Ganze mit den Morden zusammenhängt. Ich hatte nicht das Gefühl, ich könnte groß mitraten, dafür wird man als Hörer zu sehr im Dunklen gelassen, aber es hat Spaß gemacht jeden Dialog, jede Aussage nachklingen zu lassen, mit der Frage, ob da nun ein Hinweis auf eine Verbindung zum Mord versteckt sein könnte oder nicht. Und am Ende kommt man als Hörer doch deutlich früher auf die Lösung des Ganzen, wobei ich zugeben muss, dass der Collin sich eher bewusst weigert die Lösung zu akzeptieren, bevor er nicht mehr Beweise als sein Bauchgefühl dafür hat.

Auch fand ich es angenehm, dass Collin ein sehr entspanntes Familienleben hat. Seine Frau unterstützt ihn, seine Kinder haben keine gravierenden Probleme, wenn man davon absieht, dass seine Tochter adoptiert ist und mit ihrem afrikanischen Aussehen in der Region sehr auffällig ist. Collins Mitarbeiter sind stellenweise herausfordernd, aber auch das fand ich relativ stimmig, da sie eher darin geübt zu sein scheinen Verkehrssünder anzuhalten als an einer Mordermittlung beteiligt zu sein. Außerdem gibt es in jedem Job Personen, denen der pünktliche Feierabend und das freie Wochenende mehr wert sind als ein Beruf, in dem die Arbeitszeiten situationsbedingt schon mal länger sein müssten. Dabei hat Iris Grädler schön dargestellt, dass eine so ernsthafte Ermittlung das Arbeiten in der kleinen Polizeigruppe deutlich verändert und keine Person unberührt aus dem Fall herausgeht. Am Ende fügen sich alle Handlungsstränge zu einem zufriedenstellenden Ende zusammen. Zwar wird nicht jede Frage beantwortet, aber dass ist ja auch nur zu erwarten, wenn die einzigen Personen, die vollkommene Aufklärung geben könnten, schon verstorben sind.

Ich mochte vor allem die ruhige und ausführliche Erzählweise und dass die verschiedenen Beteiligten (vor allem die Polizisten) so angenehm „normal“ waren. Keiner war perfekt, alle hatten ihren (zum Teil auch lästigen) Macken, aber sie fühlten sich beim Hören an, als ob man schon einmal mit ähnlichen Personen zusammengearbeitet hätte. Dazu beschäftigt einen die ganze Zeit die Frage, wie die beiden anderen Handlungsstränge mit dem Mord zusammenhängen und wann die Ermittler eine entscheidende Entdeckung machen, die sie endlich in die richtige Richtung führt. Schön fand ich es auch, dass es sich aufgrund der relativ überschaubaren Bevölkerung an der Küste von Cornwall nicht unnatürlich anfühlte, wenn Collin und seine Truppe über eine Belanglosigkeit stolperten, die am Ende doch irgendwie weiterhalf,

Gabriele Blum hat ihre Sache wieder sehr gut gemacht. Ich mag sie als Sprecherin und fand, dass sie die verschiedenen Charaktere mit all ihren Ecken und Kanten sehr stimmig dargestellt hat. Es gibt Rezensionen, in denen kritisiert wird, dass sie schnieft und hustet, aber genau das machen die Figuren nun einmal in bestimmten Situationen, wie man den Gedanken des jeweiligen Erzählers entnehmen kann, und das kann und will ich der Sprecherin nicht anlasten. Schon gar nicht, wenn ich nicht kontrollieren kann, ob das nicht genauso von Iris Grädler in ihrem Roman geschrieben wurde. Insgesamt haben mir die Geschichte, die Erzählweise und die Sprecherin so gut gefallen, dass ich mir auch noch die Fortsetzung besorgt habe.

Carola Dunn: Manna from Hades (Cornish Mystery 1)

Nachdem ich einige der „Miss Daisy“-Romane von Carola Dunn (da muss ich mir unbedingt noch weitere Bände besorgen) mit so viel Vergnügen gelesen habe, habe ich in diesem Monat den ersten Versuch mit ihren „Cornish Mysteries“ gestartet. Diese Geschichten spielen nicht in den 1920er Jahren, sondern in den 60ern in einem kleinen (fiktiven) Ort in Cornwall. Protagonistin ist die schon ältere Eleanor Trewynn, dazu werden einige Kapitel aus der Perspektive ihrer Nichte Megan Pencarrow erzählt, die als einer der ersten weiblichen Polizisten in Cornwall arbeitet.

Eleanor Trewynn hat ihr Leben lang gemeinsam mit ihrem Mann Peter im Ausland für eine gemeinnützige Organisation gearbeitet, doch nach Peters Tod ist sie nach Cornwall zurückgekehrt, hat ein kleines Haus gekauft und einen Geschäft aufgemacht, in dem Gebrauchtwaren für einen guten Zweck verkauft werden. Gemeinsam mit ihrer Hündin Teazle führt sie ein relativ ruhiges, aber nicht langweiliges Leben, organisiert Spenden für das Geschäft, übt regelmäßig für ihre Gesundheit Aikido und verbringt Zeit mit ihren Freunden und Nachbarn. Doch dann findet sie eines Morgens eine Leiche im Lager des Geschäfts: Ein junger Mann, der eindeutig ermordet wurde und den keiner je zuvor im Ort gesehen hat.

Mir gefällt es sehr, dass Eleanor sich nicht als Ermittlerin betätigt, sondern die Suche nach dem Mörder der Polizei (darunter auch ihre Nichte Megan) überlässt. Natürlich trägt sie trotzdem ihren Teil zur Lösung des Falles bei, indem sie als Zeugin von Dingen berichtet, die sie gesehen hat oder die ihr aufgefallen sind. Dabei gibt es immer wieder amüsante Szenen, in denen Eleanor und Detective Inspector Scumble aneinandergeraten, weil der Polizist klare und strukturierte Aussagen erwartet, während Eleanor sich von seiner Art Fragen zu stellen aus dem Tritt gebracht fühlt und nicht alle Informationen auf die Reihe bekommt, die sie ihm eigentlich mitteilen wollte.

Ich mag es, wie Carola Dunn Eleanor dargestellt hat. Sie ist eine patente Frau, deren Prioritäten und Ansichten sich durch die lange Zeit im Ausland von denen ihrer Nachbarn häufig unterscheiden. Während sie auf der einen Seite auf viele Personen etwas tüdelig wirkt, weil sie zum Beispiel nie weiß, wo sich ihre Schlüssel befinden oder weil sie mal wieder vergessen hat ihr Auto oder ihre Wohnung abzuschließen, bekommt man als Leser mit, dass Eleanor einfach nur andere Dinge deutlich wichtiger findet und sich lieber darauf konzentriert. So ist sie vielleicht nicht so effizient wie es sich der Inspektor wünscht oder so energisch wie die Pfarrersfrau, aber dafür ist es für den Leser immer wieder nett ihre Gedankengänge zu verfolgen und ihre Ansichten zum Verhalten verschiedener Personen nachzuvollziehen.

Der Fall an sich ist – wie so oft bei den Cozies – jetzt nicht so komplex, bietet der Autorin aber viele Gelegenheiten die 60er Jahre darzustellen (inklusive junger Hausbesetzer) oder die wunderschönen Landschaften von Cornwall zu beschreiben. Dabei artet das Ganze nicht in endlose atmosphärische Absätze aus, sondern wird angenehm in die Handlung eingebettet. Im Vergleich zu den „Miss Daisy“-Romanen fand ich „Manna from Hades“ ruhiger, da Eleanor zwar eine aktive, aber eben auch nicht mehr ganz junge Frau ist, die ein normalerweise ruhiges Leben auf dem Land führt. Mir persönlich hat diese Ruhe sehr gut getan und ich habe den Roman als kleinen „Urlaubsersatz“ empfunden. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass diese Ruhe und die nicht so wahnsinnig spannende Handlung – trotz des wunderbaren Humors – dem einen oder anderen zu langweilig wird.

Rachel Hore: Der Garten der Erinnerung

Dieses Buch habe ich im Rahmen von Karis fünftem SuB-Losverfahren gelesen und es hat sich als recht angenehme Sommerlektüre herausgestellt. Die Geschichte teilt sich in zwei Handlungen auf. Auf der einen Seite verfolgt man das Leben von Mel, die zu heutiger Zeit in London lebt und dort an einer Universität eine Stelle als Dozentin hat. Der zweite Teil erzählt von Pearl, einer jungen Frau aus Cornwall, die im Jahr 1912 bei einem Brand ihr Zuhause verlor und eine Anstellung als Dienstmädchen in einem Herrenhaus annehmen musste.

Mel hat vor knapp einem Jahr ihre Mutter verloren, die an Krebs starb, und erst vor wenigen Wochen hat sie sich auch noch von ihrem Freund getrennt, da dieser andere Vorstellungen vom gemeinsamen Leben hatte als sie. Emotional ausgelaugt nimmt sich Mel ein Freisemester an der Uni und will die Zeit nicht nur nutzen, um wieder zur Ruhe zu kommen, sondern auch um ein Buch über eine Künstlergemeinschaft aus Cornwall zu schreiben, die zur Zeit des Impressionismus einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangte.

Um direkt vor Ort Nachforschungen anstellen zu können, mietet sie von einem Freund ihrer Schwester Chrissie, der vor kurzem ein ehemaliges Herrenhaus in Cornwall geerbt hat, ein kleines Cottage. Dort hängen kleine Zeichnungen an der Wand, die mit P.T. signiert sind und die Mels Neugierde wecken. Zusammen mit ihrem Vermieter Patrick versucht sie mehr über diese Zeichnungen – und die früheren Besitzer des Herrenhauses herauszufinden. Gemeinsam erliegen die beiden dem Charme des Gartens und machen sich daran, das ungepflegte Landstück wieder in altem Glanz auferstehen zu lassen.

Pearls Anteil an diesem Roman ist deutlich geringer als der von Mel. Nur manchmal gibt es ein ganzes Kapitel, in dem erzählt wird, wie es der jungen Frau als Dienstmädchen ergeht. Weitere Hinweise über ihr Leben erhält man hier und da am Ende eines Kapitels, in dem sich die Handlung um Mel drehte, wo man manchmal einen kursiven Absatz findet, der Pearls Gedanken wiedergibt.

Die Handlung in „Der Garten der Erinnerung“ ist sehr vorhersehbar. Auf der einen Seite gibt es da Mel und Patrick, die beide gerade unangenehme Beziehungen hinter sich gebracht haben und nun Trost beieinander finden, auf der anderen Seite das junge Dienstmädchen, das sich für Malerei interessiert und sich in den Erben ihrer Arbeitgeber verliebt. Wie das Ganze endet, kann wohl jeder erraten … Aber ich muss betonen, dass Rachel Hore ihre Geschichte auf eine sehr schöne Weise erzählt. Obwohl die Handlung eher dahinplätschert und es kaum Höhen oder Tiefen gibt, fand ich es sehr nett dieses Buch zu lesen. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf Mel und Patrick, die sich nicht einfach kopfüber für eine neue Beziehung entscheiden können (was bei anderen Bücher dazu führen würde, dass sich daraufhin alles in Wohlgefallen auflöst). Beide haben aufgrund ihrer vergangenen Erfahrungen ein paar Altlasten, die sie erst einmal verarbeiten müssen.

Mel ist extrem misstrauisch, schnüffelt Patrick irgendwann sogar soweit hinterher, dass ich ihr Verhalten kaum noch akzeptieren konnte, und hat ihren Ex-Freund immer noch nicht so ganz überwunden. Ebenso geht es Patrick, der sich immer noch für die ehemalige Verlobte verantwortlich fühlt und der nicht verstehen kann, dass sich Mel daran stört, dass er immer noch für die andere Frau da ist. Auch gibt es immer wieder Dinge, bei denen er Mel ausschließt, was sie natürlich in den Wahnsinn treibt. Doch es gelingt Rachel Hore all dieses am Ende in eine realistische kleine Liebesgeschichte zu verwandeln, sodass man das Buch mit dem befriedigende Gefühl zuklappt, dass man mal eine Geschichte mit ganz normalen Menschen voller Fehler und Schwächen gelesen hat.

Und da das alles so ganz normal ist, ist es auch gut, dass die Autorin noch die zweite Handlung eingeflochten hat, denn so gibt es doch noch ein paar Dinge, auf die man neugierig bleibt und die einen von der Alltäglichkeit der Hauptgeschichte ablenken. „Der Garten der Erinnerung“ ist wohl kein Buch, dass ich ein zweites Mal lesen würde, aber für einen heißen Sommertag, an dem man sich nicht auf eine komplizierte Handlung konzentrieren will und einfach nur eine nette und unterhaltsame Erzählung sucht, ist der Roman gut geeignet.