Am vergangenen Sonntag habe ich „Snow White and Rose Red“ von Patricia C. Wrede angefangen und es hat bis Mittwoch gedauert, bis ich den Roman beendet hatte, was vor allem an der Sprache lag, die die Autorin verwendet hat. Im Nachwort sagt sie, dass sie versucht hat einen zeitgemäßen Ton zu finden und trotzdem noch für moderne Leser verständlich zu bleiben – und verständlich war es, aber für mich auch sehr gewöhnungsbedürftig und gerade am Anfang überraschend anstrengend. Außerdem habe ich hin und wieder den Humor vermisst, denn ich aus den „Zauberwald“-Geschichten der Autorin so sehr mag. Wobei ich zugeben muss, dass sich die Handlung in „Snow White and Rose Red“ nicht gerade für humorvolle Szenen eignet.
Im Nachwort erwähnt Patricia C. Wrede, dass „Schneeweißchen und Rosenrot“ schon immer ihr Lieblingsmärchen gewesen ist, dass sie aber beim erneuten Lesen für diesen Roman überrascht davon war, wie episodenhaft die Handlung aufgebaut ist. Umso schöner fand ich es, wie sie es geschafft hat, diese episodenhafte Erzählweise aufzugreifen und in eine deutlich stimmigere Form zu pressen. Die Handlung von „Snow White and Rose Red“ zieht sich über viele Monate hinweg und beginnt an einem Halloween-Abend. Zeitlich ist die Geschichte im elisabethanischem England einzuordnen und Patricia C. Wrede hat sowohl auf den damals lebenden Hofastrologen John Dee zurückgegriffen, als auch reale Gegebenheiten um diese Figur in ihre Handlung eingebunden.
An dem Halloween-Abend, an dem die Geschichte beginnt, sprechen John Dee und sein jüngerer Kollege Edward Kelly im Wald einen Zauber aus, der die beiden Männer in Besitz von Feenmagie bringen soll. Denn es ist allseits bekannt, dass in dem Wald, der an das Örtchen Mortlak angrenzt, ein Übergang zur Feenwelt zu finden ist. Beobachtet werden die beiden Männer in ihrem Tun von Blanche und Rosamund, den Töchter der Witwe Arden, die für ihre Mutter im Wald Kräuter suchten. Doch da allgemein bekannt ist, dass John Dee ein Zauberer ist, der – auch aufgrund der Protektion der Königin – schon zwei Anklagen wegen Hexerei überstanden hat, und die Mutter der beiden Mädchen große Angst davor hat, das jemals jemand sie und ihr Töchter der Hexerei beschuldigen würde, erzählen die drei Frauen niemandem von dem, was die Mädchen gesehen haben.
Parallel dazu lernt der Leser die beiden Brüder John (eigentlich Thomas) und Hugh kennen, deren Mutter die Königin der Feen ist. Während der jüngere Prinz sehr zufrieden mit seinem Leben im Feenreich ist, wandert John regelmäßig in der Welt der Menschen umher. Beide Männer werden von einigen Feen misstrauisch beäugt, da ihr Vater ein Mensch ist und John und Hugh somit keine reinrassigen Feen sind. So versucht eine kleine Gruppe von Verschwörern das Wissen um den Zauber, der von John Dee und Edward Kelly gesprochen wird, zu nutzen, um sich der beiden Halbfeen zu entledigen. Doch der Zauber beeinflusst nur Hugh und nimmt dem jungen Mann innerhalb weniger Tage seine Gestalt, so dass er am Ende – in der Form eines Bären – aus dem Feenland verbannt wird.
Im Laufe der folgenden Monate treffen Hugh und die beiden Mädchen natürlich aufeinander, ebenso wie John irgendwann herausfindet, dass es da eine Verbindung zwischen seinem Bruder und der Familie Arden gibt. Während diese fünf Personen nun alles versuchen, um den Zauber aufzuheben, der Hugh so sehr verändert hat, experimentieren Dee und Kelly mit der Macht, die sie durch ihr Tun gewonnen haben. Aber auch die Verschwörer auf der Feenseite bleiben nicht untätig, haben sie doch gerade mal einen Teilerfolg errungen. Gleichzeitig kommen im Ort Mortlak aus mehreren Gründen immer wieder Gerüchte über Hexerei und Zauberei auf, was die Anwohner immer nervöser und misstrauischer werden lässt.
Ich fand es spannend, was für eine komplexe Welt Patricia C. Wrede für die Neuerzählung dieses Märchen gewählt hat und wie viele Personen in dieser Geschichte vorkommen, wenn man überlegt, dass es im Märchen gerade mal sechs Figuren sind, die eine Rolle spielen. Man bekommt eigentlich von allen Parteien mit, was sie gerade planen und denken und wie sie in den nächsten Wochen vorgehen wollen, aber gerade das machte es für mich auch so fesselnd. Während die einen sich auf eine Aufgabe konzentrieren und gerade mal befürchten müssen, dass sie dabei von jemandem beobachtet werden, weiß man schon, dass weitere Parteien auf den selben Zeitpunkt hinarbeiten, aber vollkommen anderen Ziele verfolgen – und natürlich sorgt das dafür, dass irgendetwas schief läuft. Aber was genau schief laufen wird und wer zu diesem Zeitpunkt davon profitiert, muss man natürlich erst noch herausfinden.
Auch der Teil mit der Hexenverfolgung war gut gemacht. Während die Witwe, die nun mal lebenserfahrener ist, immer befürchtete, dass irgendwann einmal sie und ihre Töchter der Vorwurf trifft, sind Blanche und Rosamund verhältnismäßig sorglos. Sie machen schließlich nichts Böses und vertrauen auf Gott und gehen regelmäßig in die Kirche. Allein ihre Zuneigung zu ihrer Mutter sorgt dafür, dass sie trotzdem immer wieder Vorsicht walten und sich von dem einen oder anderen riskanteren Plan wieder abbringen lassen. Trotzdem kommen all diese Gerüchte über Zauberei irgendwann den falschen Leuten zu Ohren, so dass Ermittler in Mortlak auftauchen, die die ganze Angelegenheit verkomplizieren.
Emotional hat mich „Snow White and Rose Red“ weniger angesprochen, auch weil man den Figuren nicht so nahe kommt wie bei manch anderer Geschichte. Aber es hat mich nicht gestört, weil ich so fasziniert davon war, was Patricia C. Wrede aus dem Märchen gemacht hat. Schön fand ich es auch, dass vor jedem Kapitel eine Passage des Märchens vorgestellt war, so dass man sich das Original noch einmal in Erinnerung rufen und dann beim Lesen mit der neuen Version vergleichen konnte. Ich weiß allerdings auch nach ein paar Tagen noch nicht, ob ich mit der letzten Wendung am Ende wirklich zufrieden bin. Es entspricht zwar dem Märchen, aber ich hätte mir eine „grenzübergreifendere“ Lösung gewünscht. Insgesamt hatte ich aber wirklich viel Spaß mit dem Roman und habe es geliebt herauszufinden, was die Autorin aus den jeweiligen Märchenpassagen gemacht hat und zu sehen wie sie die Geschichte mit keltischen Sagenelementen verwoben hat.
Das klingt so, als ob Du Dir das Buch richtiggehend erarbeitet hast. Schön, dass es Dich "trotzdem" doch so faszinieren konnte.
Ich bin gespannt, was Du als nächstes liest.
Grüßchen
Aly mit den drei Adventskatzen
Du wirst mir langsam unheimlich.
Das Buch habe ich mir jetzt vor zwei Wochen gekauft, bin aber noch nicht dazu gekommen, es zu lesen – vielleicht auch, weil ich gerade LIGAS WELT lese
@Alysande: Leicht gefallen ist es mir – vor allem anfangs – nicht, aber ich war mir sicher, dass die Autorin etwas geschaffen hätte, dass mir langfristig gefallen würde. So war es dann ja auch. 🙂 Danach habe ich noch "Rose" gelesen (so hübsch!) und aktuell bin ich bei "Darkbeast", da bin ich aber noch nicht sehr weit, weil ich auch noch ein Sachbuch in Arbeit habe. 🙂
Adventskatzen? Tragen sie Weihnachtsmannmützen? 😉 Meine beiden sind einfach nur Schlafkatzen – wenn sie könnten, würden sie wohl in den Winterschlaf übergehen.
@Darkstar: Huch? Ich bin doch nicht unheimlich! 🙂 Ich war über das Buch gestolpert, als ich vor einiger Zeit "Snow White and Rose Red – The Curse of the Huntsman" gelesen habe und nachdem ich es vor zehn Tagen zum Geburtstag bekommen habe, musste ich es auch recht schnell lesen. 🙂
"Ligas Welt" reizt mich gar nicht so sehr, der Klappentext klingt mir zu sehr nach Missbrauch und verdrängter Realität. Ich kann mich da täuschen, aber mehr "schlimme Szenen" als in z.B. "Deerskin" von Robin McKinley, möchte ich in meinen "Märchenbüchern" gar nicht haben. Wenn ich mich dazu bereit fühle, greife ich doch eher zu einem realistischeren Roman.
Ich bin gerade ein wenig skeptisch, ob ich das sprachlich hinbekomme, aber auf Deutsch gibts den Roman leider nicht. Da muss ich wohl mal in die Leseprobe reinlesen, denn ansonsten klingt er sehr interessant.
@Neyasha: Den Anfang fand ich – auch aufgrund der relativ häufigen Dialoge – anstrengender als den Großteil des Buches. Man findet mit etwas Hartnäckigkeit auf jeden Fall in die Sprache rein und kann dann all die tollen Elemente genießen. Ich bin gespannt, ob dir die Leseprobe machbar erscheint. 🙂
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