Schlagwort: Natasha Farrant

Leseeindrücke Januar und Februar 2021

Ich habe schon sehr lange keine Leseeindrücke mehr geschrieben, aber in den letzten Wochen habe ich ein paar Bücher gelesen, bei denen es nicht zu einer längeren Rezension reicht, die ich aber nicht vollständig untergehen lassen möchte.

Natasha Farrant (Story)/Lydia Corry (Illustrationen): „Eight Princesses and a Magic Mirror“

In „Eight Princesses and a Magic Mirror“ geht eine Zaubererin der Frage nach, was eine exzellente Prinzessin ausmacht, um ihrer Patentochter das passende Taufgeschenk machen zu können – was zu acht wunderbaren und sehr unterschiedlichen Märchen rund um ebensolche Prinzessinen führt. Ich mochte es sehr, dass Natasha Farrant so verschiedene Geschichten rund um die Prinzessinen gesponnen hat, und die Illustrationen von Lydia Corry passen wirklich perfekt zu den verschiedenen Figuren und ihren Welten. Ich muss aber auch zugeben, dass man hier wirklich nur „Märchen“ findet, was bedeutet, dass die Figuren nicht besonders intensiv ausgearbeitet wurden und nicht immer alle Details erklärt werden oder alles rundum stimmig in den verschiedenen Welten ist. Mir persönlich hat aber  gerade das sehr gut gefallen, so dass ich mir die einzelnen Märchen bewusst eingeteilt habe, um sie genießen und meine Fantasie von den verschiedenen Geschichten und Illustrationen anregen lassen zu können.

Auf dem Foto ist ein aufgeschlagenes Buch vor einer orangen Bettdecke zu sehen. Auf der linken Seite des Buches ist eine Illustration mit einer Figur mit hellen Zöpfen und einem blauen Kleid, die dem Betrachter den Rücken zuwendet und auf ein Schiff auf dem Meer hinausblickt, auf der rechten Seite sieht man den Titel einer Geschichte ("The Princess of the High Seas"), um den verschiedenen kleine blaue Zeichnungen (Möwe, Fisch, Papageientaucher, Boote und Muscheln) arrangiert sind.

Olivia Atwater: „Half a Soul“ (Regency Faerie Tale 1)/“Ten Thousand Stitches“ (Regency Faerie Tale 2)

Die beiden Romane „Half a Soul“ und „Ten Thousand Stitches“ erzählen zwei unabhängig voneinander lesbare Geschichten, die beide in derselben fantastischen Regency-Welt spielen, was dafür sorgt, dass Nebenfiguren aus dem ersten Band auch im zweiten Teil vorkommen. In „Half a Soul“ wurde der Protagonistin Theodora Ettings als junges Mädchen die Hälfte ihrer Seele von Elfen gestohlen, was dazu geführt hat, dass sie nur noch sehr gedämpft Gefühle wahrnehmen kann. Dieses Handicap sorgt dafür, dass sie in den Augen ihrer Familie unverheiratbar und somit eine Last ist. Nur ihre Cousine Vanessa gibt sich alle Mühe, Dora zur Seite zu stehen, als diese während Vanessas erster Saison in London einige seltsame Erlebnisse hat und immer wieder mit dem königlichen Magier aneinandergerät. Für mich als Leserin war Doras recht distanzierter Umgang mit all den Dingen, die ihr passierten, überaus amüsant zu lesen, so dass ich auch gut damit leben konnte, dass die Handlung an sich sehr vorhersehbar verlief, weil ich mich so gut von der Erzählweise und den vielen kleinen Vorfällen rund um Dora unterhalten fühlte.

Bei „Ten Thousand Stitches“ wird die Geschichte aus der Sicht der Dienstbotin Euphemia Reeves erzählt, die wider besseres Wissen einen Handel mit einem Elfen eingeht, um den Mann, in den sie sich verliebt hat, heiraten zu können. Als Bezahlung für die Hilfe, die ihr der Elf zur Verfügung stellt, muss sie ihm innerhalb von hundert Tagen seine Jacke mit 10.000 Stichen besticken – was gar nicht so einfach ist, da sie nur in den Nachtstunden nach ihrem Dienst Zeit für diese Arbeit hat. Auch hier habe ich mich wunderbar amüsiert, während der Elf voller bester Absichten eine Katastrophe nach der anderen auslöst, während Effie feststellen muss, dass ihr Handel nicht ganz so verläuft, wie sie sich das vorgestellt hatte. Neben all den unterhaltsamen und witzigen Elementen in beiden Geschichten mag ich es, dass die Autorin Olivia Atwater nicht davor zurückschreckt, in ihrern Büchern auf die Situation in den „Work Houses“ oder die Machtlosigkeit der Dienstboten gegenüber ihrer Herrschaft einzugehen. Da mir beide Bände so gut gefallen haben, habe ich den demnächst erscheinenden dritten Teil auch schon vorbestellt.

Suzanne Walker (Story)/Wendy Xu (Zeichnungen): „Mooncakes“ (Comic)

„Mooncakes“ erzählt die Geschichte von der Hexe Nova Huang und dem Werwolf Tam Lang, die sich in ihrer Kinderzeit gekannt haben und sich nun nach Jahren der Trennung wiederbegegnen. Zusammen müssen sie mit einem Dämon fertig werden, der in den nahegelegenen Wäldern sein Unwesen treibt. Trotz des Dämons ist die Geschichte einfach nur sehr, sehr süß, und ich mochte nicht nur die Freundschaft/entstehende Beziehung zwischen Nova und Tam, sondern auch all die anderen Personen, mit denen die beiden so zu tun haben. Besonders Novas Familie ist voller sehr individueller Persönlichkeiten, die alle in der Regel wunderbar liebevoll miteinander umgehen. Auch gefiel es mir, dass Novas Schwerhörigkeit und ihre Hörgeräte zwar als ein lästiger Teil ihres Alltags, aber eben nicht als ein größeres Problem dargestellt wurden. Die Zeichnungen haben nicht vollkommen meinen Geschmack getroffen, aber insgesamt mochte ich den recht weichen und liebevollen Stil von Wendy Xu und die für den Comic verwendeten warmen Farben.

Natasha Farrant: Die Geschwister Gadsby

„Die Geschwister Gadsby“ von Natasha Farrant habe ich über Carolines Blog entdeckt und konnte das Buch dann sogar recht schnell aus der Bibliothek ausleihen. Die Geschichte wird aus der Sicht der dreizehnjährigen Bluebell (Blue) erzählt. Blue läuft den ganzen Tag mit einer Kamera herum, um ein Filmtagebuch zu führen, so dass man als Leser die Erlebnisse als „beschriebenen Film“ mitbekommt, und nur bei den Passagen, bei denen Blue aus irgendeinem Grund nicht drehen konnte oder durfte, fasst sie im Nachhinein schriftlich zusammen was passiert ist.

Anfangs wirkt Blues Familie zwar sehr chaotisch, aber auch recht zufrieden auf den Leser. Doch schnell wird klar, dass es so einige unausgesprochene Probleme gibt, die den Kindern zu schaffen machen. Während Blues Vater die Woche über nicht in London, sondern in Warwick lebt, fliegt die Mutter für ihren Beruf ständig durch die Welt. Auf die Kinder passt in dieser Zeit Zoran auf, ein Student, der eigentlich an seiner Doktorarbeit schreibt und eindeutig mit der Verantwortung für Blue und ihre Geschwister überfordert ist.

Blues sechzehnjährige Schwester Flora scheint ihre jüngeren Geschwister nur noch zu ignorieren, obwohl Blue einige liebevolle Erinnerungen daran hat, wie Flora sich früher um sie gekümmert hat. Ihre jüngeren Geschwister Jasmine (8 Jahre alt) und Twig (10 Jahre) wirken zwar auf den ersten Blick unbekümmert, aber auch bei ihnen wird immer wieder deutlich, dass auch sie das Gefühl haben, dass die Familie auseinander bricht. Blue selber scheint in ihrer Familie keine nennenswerte Rolle zu spielen, sie beobachtet nur, sie zieht sich ständig zurück, hat keine Freunde und auch in der Schule versucht sie so unsichtbar wie möglich zu sein.

Erst mit dem Einzug des Nachbarjungen Joss ändert sich dies für Blue. Joss sieht wie unglücklich das Mädchen ist und sorgt – um ihr zu helfen – für einige Unruhe in ihrem Leben. So lustig viele der Szenen mit Blue und ihrer chaotischen Familie sind, so zieht sich doch eine gewisse Traurigkeit durch den Roman. Schon früh erfährt man, dass Blue eine Zwillingsschwester hatte, die vor drei Jahren gestorben ist, und wie sehr sie ihre Schwester Iris vermisst. So ist „Die Geschwister Gadsby“ eine wunderbare Mischung aus witzigen, nachdenklichen, traurigen und berührend alltäglichen Szenen. Blue wächst einem schnell ans Herz und auch ihre Familie mochte ich – ebenso wie den armen überforderten Zoran – sehr.

Obwohl es in der Geschichte auch einige ungewöhnliche Momenten gibt, besteht der Großteil des Romans aus beinah alltäglichen Szenen, in denen die einzelnen Charaktere deutlicher ausgearbeitet werden und man die vielen verschiedenen Untertöne mitbekommt, die zwischen den einzelnen Familienmitgliedern so mitschwingen. Und gerade die kleinen Dinge haben bei mir immer wieder dafür gesorgt, dass ich schmunzelten, dass ich den Kopf schüttelte oder mir eine Träne wegwischen musste.

Auch den Erzählstil habe ich sehr gemocht. Auf der einen Seite die – nur auf den ersten Blick – distanziert wirkenden „Filmszene“, auf der anderen Seite die Zusammenfassungen von Blue, die immer wieder ihre aktuelle Gefühlslage zum Ausdruck bringen. Diese Mischung hat für mich einfach gut funktioniert und es hat Spaß gemacht eine Geschichte mal auf diese Weise erzählt zu bekommen.