Schlagwort: Historical Fantasy

C. L. Polk: Even Through I Knew the End (Hörbuch)

Von C. L. Polk mochte ich schon „Witchmark“ sehr gern (und müsste da wirklich endlich mal die beiden Fortsetzungen lesen), weshalb ich sehr neugierig auf „Even Through I Knew the End“ war, als der Titel angekündigt wurde. Allerdings wollte ich keine 20 Euro für ein Hardcover-Ausgabe zahlen, die gerade mal um die 130 Seiten hat, weshalb ich mich für das Hörbuch entschieden habe. Gesprochen wird die Handlung von January LaVoy, der ich sehr gern zugehört habe, weil sie mit ihrer ausdrucksvollen Stimme den Figuren sehr viel Individualität verlieh und ich ihr die Emotionen der Charaktere problemlos abnahm, obwohl das bei all den zwiespältgen Situationen, in denen sich Protagonistin Helen und ihre Liebste Edith wiederfinden, nicht gerade einfach gewesen sein kann.

Die Handlung von „Even Through I Knew the End“ spielt in einer fantastischen Variante von Chicago in den 1930er Jahren. Helen ist eine Mystikerin, die vor beinahe zehn Jahren von ihrem Orden ausgeschlossen wurde, weil sie ihre Seele verkauft hat, um das Leben ihres Bruders zu retten. Inzwischen verdient sie ihren Lebensunterhalt als Privatdetektivin, wobei sie den Großteil ihres Geldes damit verdient, mit den Geistern von Ermordeten zu kommunizieren und magisch verstärkte Fotos von den Tatorten zu schießen. Zu Beginn der Geschichte wird Helen damit beauftragt, den aktuellsten Tatort eines Serienmörders zu untersuchen. Als sie den Auftrag ablehnen will, wird ihr in Aussieht gestellt, ihre Seele zurückzubekommen, falls sie den Mörder finden sollte. Allerdings hatte Helen nicht erwartet, dass ihr alter Orden ebenfalls an den Morden interessiert ist und dass ihre Liebste Edith ebenfalls in die Mordermittlungen involviert wird.

Bei gerade mal 130 Seiten Handlung ist es verständlich, dass der Weltenbau in „Even Through I Knew the End“ nicht gerade komplex ausfallen konnte, aber ich mochte diese düstere Version von Chicago, die mit all ihren fantastischen Elementen, die für Helen so alltäglich zu sein scheinen, die perfekte Kulisse für diese Geschichte bildet. Vor allem fand ich es faszinierend, dass es C. L. Polk gelingt, die perfekte Film-Noir-Atmosphäre zu kreieren und dabei trotzdem unglaublich viel Realismus in die Geschichte einfließen zu lassen. Helen ist pragmatisch und zynisch, und natürlich geht sie in eine Bar (die während der Prohibition ein Speakeasy war), wenn sie sich entspannen will. Auf der anderen Seite ist diese Bar einer der wenigen Zufluchtsorte, die es für lesbische Frauen in dieser Zeit gibt und wo Helen sich nicht einen Ehering anstecken muss, um mit Edith ausgehen zu können. Immer wieder gibt es kleine Szenen, in denen deutlich wird, wie eingeschränkt das Leben von Frauen in dieser Zeit ist und wie viel Mut und Einfallsreichtum es von Helen erfordert, einfach nur ihrem Beruf nachgehen zu können.

Bei den fantastischen Elementen setzt C. L. Polk sehr auf klassische christliche Motive mit Dämonen und Engeln, und trotzdem gibt es keine Schwarz-Weiß Zeichnungen, wenn es um all die Charaktere in dem Roman geht. Gemeinsam mit der Privatdetektivin erfährt man immer mehr über den Mörder und seine Opfer und warum es so wichtig ist, dass gerade Helen in diesem Fall ermittelt. Überhaupt ist Helen eine wunderbare Protagonistin mit all ihren Ecken und Kanten, die dafür sorgten, dass ich jederzeit die Gründe für ihr Handeln nachvollziehen konnte. Ich fand es großartig, dass die Beziehung zwischen Helen und Edith von Anfang an eine etablierte Tatsache war. Die beiden Frauen lieben sich seit langer Zeit und träumen von einer gemeinsamen Zukunft in San Francisco, und trotzdem habe ich die ganze Geschichte hindurch um ihre Beziehung gebangt – nicht, weil mich C. L. Polk daran zweifeln ließ, dass die Gefühle der beiden Figuren aufrichtig waren, sondern weil es so viele Hindernisse von außen gab, an denen alles scheitern konnte. Ich muss gestehen, dass ich es so viel reizvoller finde, eine „Liebesgeschichte“ zu lesen, wenn es nicht um das erste Verlieben geht, sondern darum, irgendwie die gemeinsame Zukunft zu retten.

Dafür, dass das Hörbuch gerade mal 3 Stunden und 50 Minuten lang ist, gibt es überraschend viele Wendungen in der Handlung und wirklich viele Elemente, die nach dem Hören noch in mir nachklangen. Und ich glaube nicht, dass es der Geschichte gutgetan hätte, wenn C. L. Polk sie länger gemacht hätte, auch wenn ich online einige Rezensionen gesehen habe, die das „schöner“ gefunden hätten. Der eher skizzenhafte Weltenbau reicht vollkommen, um einen Eindruck von den fantastischen Elementen zu geben, die Liebesgeschichte ist fundiert genug, dass die Beweggründe der beiden Frauen definitiv nachvollziehbar sind, und all die kleinen Beobachtungen und Anmerkungen von Helen sorgen für ein erschreckend realistisches Bild der Zeit, ohne von der eigentlichen Handlung abzulenken. Gerade weil so viele Elemente nur angedeutet wurden, habe ich im Nachhinein immer wieder darüber nachgedacht. Alles in allem habe ich mich von der bittersüßen Geschichte sehr gut unterhalten gefühlt, ich habe die Arbeit der Sprecherin January LaVoy genossen, und ich hätte große Lust, in Zukunft noch mehr Veröffentlichungen in dieser Art von C.L. Polk zu hören (oder zu lesen).

Leslye Penelope: The Monsters We Defy

Ich muss zugeben, dass es vor allem das Cover war, das ursprünglich meine Aufmerksamkeit auf diesen Roman gezogen hatte. Aber der Klappentext von „The Monsters We Defy“ mit seinem Versprechen von einer „magical heist“-Handlung reizte mich dann ebenso sehr, weshalb ich den Roman unbedingt vorbestellen musste. Bevor ich auf die Geschichte eingehe, möchte ich noch erwähnen, dass sich Leslye Penelope für ihre Protagonistin von einem Zeitungsartikel über Clara „Carrie“ Minor Johnson inspirieren ließ. Carrie wurde aufgrund eines Vorfalles während des Summer Riot im Jahr 1919 in Washington, D.C. wegen der Tötung eines weißen Polizisten verurteilt, um dann zwei Jahre später überraschenderweise bei einem erneuten Verfahren freigesprochen zu werden. Auch bei den Nebenfiguren (wie zum Beispeil Carlas Mitbewohnerin Zelda) hat die Autorinnen Informationen einfließen lassen, über die sie während ihrer Recherchen gestolpert ist, außerdem sorgt die Erwähnung diverser historischer Persönlichkeiten und Ereignisse dafür, dass sich die Geschichte – trotz aller fantastischen Elemente – überraschend real anfühlt.

Wie „Carrie“ Johnson hat auch die Protagonstin Clara Johnson, aus deren Perspektive wir den größten Teil der Handlung in „The Monsters We Defy“ verfolgen, zwei Jahre im Gefängnis verbracht, was dazu gesorgt hat, dass sie eine Art zweifelhafte Berühmtheit innerhalb der Schwarzen Bevölkerung von Washington erlangt hat. Dazu kommt, dass Clara mit einer besonderen Gabe geboren wurde und von klein auf mit Geistern und anderen übernatürlichen Wesen wie zum Beispiel den „Enigmas“ kommunizieren kann. Diese Gabe nutzt sie, um für verzweifelte Personen mit den Enigmas in Kontakt zu treten und ihnen bei ihren Verhandlungen mit diesen Wesenheiten beizustehen. So ist es auch die Enigma, die Clara unter dem Namen „The Empress“ kennt, die sie anruft, um herauszufinden, was mit all den Schwarzen Personen passiert ist, die in den letzten Wochen verschwunden sind – und die ihr im Gegenzug den Auftrag gibt, einen verfluchten Ring von der Hand der mächtigsten Schwarzen Frau der Stadt zu stehlen. Um diesen Diebstahl durchführen zu können, benötigt Clara allerdings die Hilfe von anderen Personen, die – ebenso wie sie selbst – von einem Enigma mit einem Charm (und dem dazugehörigen Fluch) belegt wurden.

Es gibt eine Menge, was ich an „The Monsters We Defy“ mochte, wobei ich auch zugeben  muss, dass mich die Geschichte nicht so sehr packte, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen wollte. Ich habe stattdessen die verschiedenen Lesepausen genutzt, um über die diversen Handlungselemente und all die Informationen zum Leben Schwarzer Personen in den 1920er Jahren in Washington nachzudenken. Leslye Penelope zeichnet mit ihrem Roman ein sich realistisch anfühlendes Bild von dieser Zeit, in der für viele Schwarze Personen die Sklaverei gerade mal eine bis zwei Generationen her ist. Der Erste Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen und die Prohibition beeinflusst selbst den Alltag derjenigen, die kein Geld für Alkohol haben. Dabei wird in dem Roman immer wieder deutlich, dass es auch innerhalb der Schwarzen Bevölkerung so einiges an Unterdrückung und Aufstiege auf Kosten Schwächerer gibt, während gleichzeitig alle tagtäglich Rassismus erfahren und auf der Hut sein müssen vor dem wieder aufblühenden Ku-Klux-Klan.

Neben diesem spannenden Einblick in die 1920er Jahre gibt es noch sehr viele unterschiedliche fantastische (amerikanisch-)afrikanische Elemente, die von der Erwähnung von Hoodoo bis zur Geschichte von Königin Makeda und König Salomo reichen. Ich mochte dabei vor allem, wie präsent Geister und die anderen übernatürlichen Wesenheiten im Leben von Clara sind und wie sehr ihr besonderes Talent sie geprägt hat. All dies erklärt auch sehr gut die Stärken und Schwächen, die dieser Charakter aufweist. Ich habe Claras Perspektive gern verfolgt und es ausnahmsweise sogar gern gelesen, wenn sie sich selbst das Leben schwer machte, weil das von Leslye Penelope wirklich stimmig beschrieben wurde. Gerade weil Claras Persönlichkeit so eine widersprüchlich wirkende Mischung aus Hilfsbereitschaft und Misstrauen aufweist, ist es schön zu verfolgen, wie sie im Laufe der Geschichte lernt, den anderen Personen zu vertrauen, die sie für die Durchführung des Diebstahls benötigt.

Ich mochte es auch sehr, wie die Autorin immer wieder Claras Perspektive verließ, um einem die anderen Figuren und ihre Geschichten vorzustellen. Das sind die einzigen Momente, in denen ich als Leserin mehr über die gesamte Situation wusste als die Protagonistin, während alles rund um den Diebstahl aus Claras Sicht erzählt wird, was dafür sorgte, dass ich beim Lesen immer wieder überrascht wurde. Selbst für eine Wendung am Ende der Geschichte, die aufgrund eines besonderen Talents eines von Claras Komplizen relativ vorhersehbar war, wurde von Leslye Penelope so gut eingebaut, dass ich mich davon gut unterhalten gefühlt habe, statt darüber irritiert zu sein, dass dieses Element die einzige Lösung für ein Gelingen der ganzen Aktion darstellte. Insgesamt habe ich das Lesen von „The Monsters We Defy“ sehr genossen und bin nun neugierig auf die anderen Romane der Autorin. Allerdings gehören die bisher erschienenen Bücher von Leslye Penelope nicht ebenfalls in den Bereich der „Historical Fantasy“, sondern es sind High-Fantasy-Geschichten, und das Genre lese ich eigentlich kaum noch. Aber ich denke, ich werde mir zumindest die Leseprobe von „Song of Blood & Stone“ anschauen, um zu prüfen, ob mir da die Erzählweise von L. Penelope ebenso zusagt.