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Emily Randall-Jones: The Witchstone Ghosts

Als ich die Inhaltsbeschreibung von „The Witchstone Ghosts“ las, hatte ich das Gefühl, dass diese Geschichte von Emily Randall-Jones perfekt zu einem verregneten, dunklen Herbstabend passen würde, und so habe ich mir das Buch spontan bestellt. Die Handlung wird aus der Perspektive von Autumn Albert erzählt, die in London lebt und die ungewöhnliche und ziemlich lästige Fähigkeit hat, Geister zu sehen. Doch als ihr Vater bei einem Unfall stirbt, gibt es keine Möglichkeit für sie, mit seinem Geist Kontakt aufzunehmen. Stattdessen zieht sie von einem Moment auf den anderen mit ihrer Mutter und ihrem Hund auf eine kleine Insel, auf der ihr Vater ihnen ein Haus vererbt hat. Die Insel Imber liegt vor der Küste Cornwalls, und so herzlich die Bewohner Autumn und ihre kleine Familie auch aufnehmen, so gibt es doch einige seltsame (und sogar etwas unheimliche) Bräuche, über die das Mädchen im Laufe der Zeit stolpert. Doch vor allem ist Autumn damit beschäftigt, die Trauer um ihren Vater zu verarbeiten und eine neue Freundin zu gewinnen, vor der sie auf jeden Fall verbergen will, dass sie Geister sehen kann.

Ich muss zugeben, dass ich am Anfang nicht so ganz nachvollziehen konnte, wieso Autumn solch ein Problem mit ihrer Fähigkeit hat. Dabei macht Emily Randall-Jones deutlich, dass es für ihre Protagonistin eine große Herausforderung ist, ein einigermaßen normales Leben zu führen, wenn sie auf Schritt und Tritt über Geister stolpert, die ihre Aufmerksamkeit einfordern. Auf der anderen Seite ist Autumns bester Freund der Kaminkehrerjunge Jack, der schon vor langer Zeit verstorben ist, so dass ihre besondere Fähigkeit auch ihre guten Seiten hat. Trotzdem ist Autumn wild entschlossen, auf Imber ein ganz „normales“ Leben zu führen. Erleichtert wird ihr das dadurch, dass es auf der ganzen Insel keine Geister zu geben scheint. Stattdessen lernt das Mädchen einige freundliche Einheimische kennen – allen voran Lamorna, die nur wenig älter als Autumn ist und die ihr viel über das Leben auf Imber beibringt. Aber natürlich kann es auf einer Insel nicht mit rechten Dingen zugehen, auf der es so gar keine Geister gibt, und je mehr Autumn darüber rausfindet, desto gefährlicher wird das Leben auf Imber für sie.

Genau wie ich es erhofft hatte, ist „The Witchstone Ghosts“ die perfekte Geschichte für ungemütliche und regnerische Herbstabende gewesen. Es gibt so viele Szenen mit stürmischer See, Kälte, Regen und insgesamt bedrohlicher Natur, die von Emily Randall-Jones wunderbar atmosphärisch geschrieben wurden. Auch das kleine Häuschen, das Autumns Vater hinterlassen hat, wirkt anfangs nicht sehr heimelig, was nur noch mehr betont, welche Herausforderungen das Leben auf einer so kleinen Insel im Meer mit sich bringt. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder schöne und gemütliche Abschnitte, in denen Autumn eine überraschend herzliche Nachbarschaft kennenlernt oder liebevolle Momente mit ihrer Mutter verbringt, die ein passendes Gegengewicht zu den eher düsteren Passagen bilden.

Für eine erwachsene Leserin sind einige Entwicklungen in der Handlung relativ vorhersehbar, was ich aber in keiner Weise schlimm fand. Es gibt in der Geschichte immer noch genügend Überraschungen, wenn es darum geht, wie Autumn selbst diese Dinge herausfindet oder auf welche Weise sie aufkommende Probleme löst, so dass ich im letzten Drittel gespannt dem Ende entgegengefiebert habe. Insgesamt war „The Witchstone Ghosts“ für mich ein wirklich befriedigendes Jugendbuch mit genau der richtigen Mischung aus unheimlichen/bedrohlichen und wohltuenden Momenten, um mein Bedürfnis nach einer gleichzeitig gemütlichen und düsteren Geschichte für die Herbstzeit zu befriedigen.

L. D. Lapinski: Jamie

Von L. D. Lapinski mochte ich ja schon die „Strangeworlds Travel Agency“-Bücher, weshalb ich auch neugierig auf diesen Titel war. Im Gegensatz zu der Trilogie rund um die magische Reiseagentur beinhaltet „Jamie“ keine fantastischen Elemente. Die Geschichte wird aus der Perspektive einer nicht-binären Person namens Jamie Rambeau erzählt. Jamie ist elf Jahre alt und hat sich schon vor einiger Zeit als nicht-binär geoutet. Jamie fühlt sich weder als Mädchen, noch als Junge und hat das Glück, dass sowohl die Eltern als auch Lehrer*innen und Mitschüler*innen dies relativ problemlos akzeptiert haben. Doch bei einer Informationsveranstaltung der Schule findet Jamie heraus, dass die weiterführenden Schulen des Ortes eine „Jungenschule“ und eine „Mädchenschule“ sind – und niemand auf der Veranstaltung kommt auf den Gedanken zu fragen, was das für Jamie bedeuten würde.

Ich mochte es sehr, wie L. D. Lapinski beschreibt, wie es sich für Jamie Tag für Tag anfühlt, dass „nicht-binär“ aus Sicht der Gesellschaft in der Regel keine Option ist. Wie anstrengend und aufreibend es für Jamie ist, dass they nicht einfach eine Toilette besuchen kann, ohne vorher zu überlegen, ob die Damen- oder die Herrentoilette die bessere Alternative ist (und ob vielleicht jemand ein Problem damit haben würde, dass Jamie diese Toilette nutzt). Noch schlimmer ist es, als Jamies Eltern, die bislang eigentlich recht unterstützend waren, auf einmal zugeben, dass sie hofften, dass Jamies Nicht-binär-Sein nur eine Phase sei und dass sie der Meinung sind, dass Jamie sich einfach für eine der weiterführenden Schule entscheiden soll. Einzig Daisy und Ash (Jamies beste Freunde) und Olly (Jamies älterer Bruder) stehen Jamie zur Seite  – und alle drei sind der Meinung, dass Jamie dafür kämpfen sollte, dass die weiterführenden Schulen in der Region die Existenz von nicht-binäre Personen anerkennen und bei ihrer Schulpolitik in Betracht ziehen.

Für mich war das Lesen von „Jamie“ eine großartige Mischung aus sehr berührenden und sehr amüsanten Momenten. Ich mochte Jamie als erzählende Person, vor allem dieses Gefühl von „ich will doch nur in Ruhe mein Leben leben und werde stattdessen täglich gezwungen, die Welt um mich herum aufzuklären“, das in jedem Kapitel durchschimmerte. Für mich waren häufig gerade die kleinen Nebensätze ziemlich erhellend, wenn es um die Existenz als nicht-binäre Person in einer binär dominierten Gesellschaft geht, weil da so viele Elemente erwähnt wurden, auf die ich nicht von selbst gekommen wäre. Und das alles kommt zusammen mit einer wirklich lustigen Handlung, bei der ich innerlich immer wieder Jamie und die anderen angefeuert habe, während ich gleichzeitig über all die kleinen unbehaglichen oder peinlichen Situationen, in die sich Jamie, Ash und Daisy da so gebracht haben, kichern musste. Ich habe es wirklich genossen, die Freundschaft zwischen diesen drei so unterschiedlichen Figuren mitzuerleben, und so sehr ich es gehasst habe, dass Jamie für eine nicht-binäre weiterführende Schule kämpfen muss, so schön fand ich es, dass Jamies Umfeld sich dadurch sichtbar weiterentwickelte. Am Ende hat sich „Jamie“ als wirklich unterhaltsames Wohlfühlbuch entpuppt, das hoffentlich noch viele weitere Leser*innen finden wird.

Katy Watson: The Three Dahlias

„The Three Dahlias“ von Katy Watson ist mir im vergangenen Jahr regelmäßig in den Blick gekommen, und jedes Mal gab es dazu begeisterte Stimmen, die sagten, dass dieser Roman ein wirklich unterhaltsamer cozy mystery mit drei wunderbaren Protagonistinnen sei. Trotzdem hat es etwas gedauert, bis ich mir das eBook gekauft habe (schwach geworden bin ich dann, weil es ein Angebot für 1,19 Euro gab) – und inzwischen bereue ich es fast ein bisschen, dass ich nicht früher auf all die Rezensionen gehört habe. Ich weiß nicht, ob ich vorher schon mal einen aktuellen Roman gelesen habe, der in der heutigen Zeit spielt und trotzdem so stimmig die Atmosphäre eines klassischen britischen cozy mystery einfängt, aber genau dieser Punkt hat mir beim Lesen wirklich Spaß gemacht.

Erzählt wird die Geschichte in drei Teilen, so dass die Leser*innen die Handlung aus der Sicht von drei verschiedenen Schauspielerinnen verfolgen können. Katy Watson hat sich für ihre Geschichte die fiktive Dahlia-Lively-Cozy-Mystery-Reihe ausgedacht, die – beginnend in den 1930er Jahren – viele Jahrzehnte lang von der Autorin Lettice Davenport geschrieben wurde. Für mich fühlte es sich ein bisschen an, als ob die Figur der Dahlia Lively an die Phryne-Fisher-Fernsehserie angelehnt wurde, auch wenn sich „The Three Dahlias“ selbst wie eine Hommage an Agatha Christies Romane las. Die drei Schauspielerinen, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, wurden alle für Verfilmungen der Dahlia-Lively-Romane gecastet: Rosalind King spielte die Privatdetektivin in den ersten drei Filmen, die auf den Büchern basierten, Caro Hooper verkörperte Dahlia Lively in dreizehn Staffeln einer Fernsehserie und Posy Starling wurde gerade erst engagiert, um die Hauptrolle im nächsten Dahlia-Lively-Film zu übernehmen.

Ich muss zugeben, dass ich bei jedem Erzählerinnenwechsel eine kleine Eingewöhnungszeit benötigte, weil die drei Schauspielerinnen sich in ihrem Ton und ihren Gedanken sehr unterscheiden, aber insgesamt habe ich es sehr genossen, die Geschichte aus der Sicht dieser drei höchst unterschiedlichen (und sich erst im Laufe der Zeit miteinander anfreundenden) Frauen zu erleben. Denn es sind vor allem die kleinen und größeren Nebengedanken der Protagonistinnen, die diesen Roman so unterhaltsam machen. Der Schauplatz (ein Herrenhaus, in dem Lettice Davenport den Großteil ihres Lebens verbracht hat) und die Beteiligten (eine ausgewählte Gruppe von Personen, die entweder mit dem Lettice-Davenport-Fanclub in Verbindung stehen oder mit der kommenden Verfilmung zu tun haben) wären deutlich weniger interessant, wenn es nicht die ganze Zeit über all die kleinen Nebenbemerkungen und boshaften Gedanken der drei Schauspielerinnen gäbe.

Mir gefiel es auch, dass Katy Watson es recht stimmig gestaltet hat, dass die drei Frauen die Ermittlungen auf eigene Faust aufnehmen. Posy, Rosalind und Caro profitieren dabei nicht nur von ihrem Wissen rund um die Dahlia-Lively-Romane, sondern müssen auch befürchten, dass Geheimnisse an die Öffentlichkeit kommen, mit denen sie erpresst werden sollten. Nicht ganz so überzeugend fand ich hingegen die Identität und das Motiv des Täters, die schon relativ früh vorhersehbar waren, aber da dieser Punkt neben all der Unterhaltung, die mir die drei Protagonistinnen beschert haben, überraschend nebensächlich war, hat es mich nicht so sehr gestört. Stattdessen habe ich es genossen, die Handlung aus der Sicht von Posy, Rosalind und Caro zu erleben, all ihre kleinen Beobachtungen und Gedanken zu verfolgen und zu sehen, wie sich diese drei Frauen – trotz einer gewissen anfänglichen Rivalität – im Laufe der Zeit immer mehr anfreunden. Ich hoffe sehr, dass diese drei so unterschiedlichen Charaktere und ihre ungewöhnliche Freundschaft in der gerade erst erschienenen Fortsetzung „A Very Lively Murder“ ebenso unterhaltsam zu lesen sein werden. Ich freu mich auf jeden Fall schon darauf, das demnächst herauszufinden.

Sangu Mandanna: The Very Secret Society of Irregular Witches (Hörbuch)

In der vergangenen Woche habe ich das von Samara MacLaren gelesene Hörbuch „The Very Secret Society of Irregular Witches“ gehört. Die Geschichte ist von Sangu Mandanna (von der ich gerade erst das Jugendbuch „Kiki Kallira Breaks a Kingdom“ gelesen habe) und wird aus der Sicht von Mika Moon erzählt. Von Anfang an steht fest, dass Mika ein recht einsamer Mensch ist. Sie ist eine Waise, die als Baby von Indien nach London gebracht wurde und dort unter der Obhut von ständig wechselnden Kindermädchen und Erziehern aufwuchs. Für ihr finanzielles Wohlergehen und die Anstellung der ganzen Kindermädchen war Primrose verantwortlich, die Mika von klein auf auch all die Regeln eingeprägt hat, die sie als Hexe einzuhalten hat. Primrose ist es auch, die die Gruppe von Hexen leitet, mit der sich Mika alle paar Wochen im Geheimen an den unterschiedlichsten Orten trifft, um sich über Zaubersprüche und Ähnliches auszutauschen. Außerhalb dieser seltenen Treffen gibt es niemanden, mit dem Mika über ihre Magie reden darf, was mit zu ihrer großen Einsamkeit beiträgt.

Mikas einziger Ausweg ist ihr Youtube-Kanal, auf dem sie Videos veröffentlicht, in denen sie „zaubert“ – wobei sie natürlich darauf achtet, dass niemals der Verdacht aufkommen könnte, dass sie echte Magie wirkt. Trotzdem ist es dieser Youtube-Kanal, der dafür sorgt, dass die Bewohner des Nowhere House mit Mika Kontakt aufnehmen, weil sie dringend jemanden benötigen, der drei jungen und unerfahrenen Hexen den Umgang mit ihrer Magie beibringt. Auch wenn sich Mika durchaus der Gefahren bewusst ist, die entstehen, wenn vier Hexen (drei davon auch noch ohne jegliche Beherrschung ihrer Magie) sich an einem Ort versammeln, beschließt sie, den drei Mädchen Magie-Unterricht zu geben. Schnell fühlt sie sich im Nowhere Hause mit all seinen liebenswürdigen Bewohnern wohl und entwickelt sogar intensivere Gefühle für den grumpigen Bibliothekar Jamie. Doch alles, was Mika in ihrem bisherigen Leben gelernt hat, sagt ihr, dass sie nicht riskieren kann, langfristig im Nowhere House zu bleiben, ohne ihr eigenes Wohlergehen und das aller anderen Bewohner in Gefahr zu bringen.

Ich muss gestehen, dass ich „The Very Secret Society of Irregular Witches“ wirklich sehr nett und süß fand, was auch daran lag, dass ich den Teil rund um die „Gefahren“, die den Hexen drohen, wenn ihre Existenz bekannt würde, nicht so recht ernst nehmen konnte. So waren die Magie-Elemente in der Handlung zwar ein hübsches Extra, konnten mich aber nicht davon ablenken, dass Mikas Geschichte vor allem eine niedliche Liebesgeschichte mit einem etwas konstruierten „Problem“ für die Beziehung zwischen der Protagonistin und Jamie war. Es gab zwar kaum überraschende Wendungen und ich würde nicht mit allen Bewohnern des Nowhere House auf einem Grundstück leben wollen, aber es war nett, von den exzentrischen Einfällen dieser Figuren und ihrem liebevollen Miteinander zu lesen, und ich habe mich gut unterhalten gefühlt. Die drei Mädchen, denen Mika Magie-Unterricht erteilte, waren einfach nur süß, Jamie war der typische „raue Schale, weicher Kern“-Love-Interest, den es so häufig in dieser Art von Liebesgeschichten zu finden gibt, und so war dieses Hörbuch so entspannend und erholsam wie ein heißes Bad am Ende eines anstrengenden Tages. Dabei hat die Sprecherin Samara MacLaren für mich sehr zum Hörvernügen beigetragen, auch wenn ich ihre Betonung manchmal etwas zu flapsig fand, um wirklich zu Mika zu passen, wobei ich zugeben muss, dass das vor allem daran liegen könnte, dass manche britische Dialekte so auf mich wirken. Aber ich fand, dass sie die Männerstimmen überraschend überzeugend betont hat und auch bei den Kindern musste ich mich nie fragen, welches der drei Mädchen gerade redete, weil Samara MacLaren ihnen so viel Individualität verliehen hatte.

Ich glaube nicht, dass ich hier groß über dieses wirklich nette Hörbuch geschrieben hätte, wenn mich nicht zwei Dinge seit dem Hören beschäftigt hätten. Auf der einen Seite gibt es unfassbar viele begeisterte Rezensionen zu „The Very Secret Society of Irregular Witches“, die ich nicht ganz nachvollziehen kann, weil es zwar eine süße Geschichte mit sympathischen Charakteren ist, sich die Handlung aber nicht so groß von anderen „netten“ Liebesromanen unterscheidet. Und auf der anderen Seite ist da eben die Tatsache, dass ich kurz vorher erst „Kiki Kallira Breaks a Kingdom“ gelesen hatte und das Buch mich so viel mehr berührt hatte als Mikas Geschichte, und natürlich habe ich mich gefragt, wieso das der Fall ist. Inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass mich Kiki und ihre Entwicklung viel mehr mitgerissen haben, weil Sangu Mandanna mich davon überzeugen konnte, wie schwierig Kikis Probleme für sie sind. Obwohl die Handlung zum Großteil in einer fantastischen Welt spielt, die sich Kiki selber ausgedacht hatte, sind ihre psychischen Probleme real und sie beeinflussen Kikis Leben rund um die Uhr. Es gibt für Kiki kein Entkommen vor ihren Ängsten und von den Auswirkungen, die ihre Gedankenspiralen auf sie und ihr Leben haben.

Bei Mika hingegen spielt die Handlung in „unserer Welt“, und obwohl es Sangu Mandanna meinem Gefühl nach gelungen ist, all die kleinen magischen Elemente stimmig in die Geschichte einzuflechten, fühlte es sich für mich nie so an, als ob Mika wirklich in Gefahr schweben würde. Ihr Leben wird vor allem davon bestimmt, dass „früher“ Hexen verfolgt wurden und dass es „früher“ gefährlich war, wenn jemand eine andere Person beschuldigte/in Verdacht hatte, eine Hexe zu sein. Aber jedes Mal, wenn in der Handlung darauf verwiesen wurde, wie wichtig es sei, die Regeln einzuhalten, damit niemand herausfindet, dass Mika und die anderen Hexen sind, stand ich da und dachte, dass es so viele Möglichkeiten gäbe, um damit anders umzugehen. Außerdem habe ich mich ständig gefragt, wieso Mika, wenn sie denn solch eine Sehnsucht nach einem „Zuhause“ hat, nicht größere Anstrengungen unternimmt, um sich ein Zuhause zu suchen. So wie ihr Charakter im Umgang mit den Mädchen und den anderen Bewohnern des Nowhere House dargestellt wurde, fiel es mir schwer zu glauben, dass sie in all den Jahren zuvor keinen Weg gefunden hätte, um sich selbst ein Zuhause zu schaffen. Ich habe mich mit „The Very Secret Society of Irregular Witches“ wirklich gut unterhalten gefühlt, aber es ist für mich definitiv eine Geschichte, bei der ich nicht zu genau über den einen oder anderen Aspekt nachdenken darf.

Lesezeit (4) – A Caribbean Mystery

Es ist schon eine ganze Weile her, seitdem es hier einen „Lesezeit“-Beitrag gegeben hat, aber mit der früher eintreffenen Dämmerung und den (zumindest etwas) kühleren Temperaturen, bin ich wieder in der richtigen Stimmung, um mir einen vertrauten Roman aus dem Regal zu ziehen und nach Jahren erneut zu lesen. Heute habe ich „A Caribbean Mystery“ von Agatha Christie von einem meiner „bald lesen“-Stapel gezogen. Ich weiß nicht, wie oft ich die Geschichte schon gelesen habe, aber da das letzte Mal schon eine Weile her ist und ich den Roman zum ersten Mal auf Englisch lese, bin ich gespannt, über welche kleinen Dinge ich wohl so stolpere.

Die Taschenbuchausgabe von "A Caribbean Mystery", dessen Cover ein Kreuzfahrtschiff zeigt. Links davon eine kleine brennende Sturmlaterne, rechts eine hexenkesselförmige Tasse mit Heißer Schokolade.

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie wenig Worte Agatha Christie braucht, um Figuren einzuführen. Natürlich liegt das auch daran, dass sie immer wieder die selben Stereotypen aufgreift – hier mit Major Palgrave, der so ein typischer alter Mann ist, „who needed a listener so that he could, in memory relive days in which he had been happy“. Und neben dieser Fasziniation daran, dass es gerade mal zwei Absätze benötigt, um diesen Charakter und die Situation, in der sich Miss Marple als seine Zuhörerin befindet, darzustellen, meldet sich bei mir heute zum ersten Mal der Gedanke, dass diese Situation mich doch sehr an die diversen Gespräche mit meinem Vater in den vergangenen Jahrzehnten erinnern … Außerdem habe ich nach gerade mal zwei Seiten das Bedürfnis meine alte deutsche Ausgabe aus dem Regal zu ziehen, um zu schauen wie da Miss Marples Gedanken zum Thema Sex „damals“ und „heute“ übersetzt wurden. Dafür erinnere ich mich sehr gut an Miss Marples Überlegungen darüber, was einen Mord interessant macht. [Es ist wirklich spannend wie sehr der Ton der deutschen Übersetzung vom englischen Original abweicht! Während Miss Marple im Englischen einfach Beobachtungen aufzuzählen scheint, wenn es um ihre „Erfahrungen“ mit Sex geht, gibt es im deutschen Text eine eindeutige Wertung, eine Wortwahl, die auf der einen Seite fast archaisch anmutet und auf der anderen Seite unangemessen arrogant und abwertend – beides passt definitiv nicht zum Charakter von Miss Marple.]

Wie so oft genieße ich vor allem diese kleinen Elemente, die so viel über Miss Marples Charakter aussagen so wie ihr Beschluss, dass sie – wenn sie schon die Steel Bands in ihrem Urlaub ertragen muss – versuchen wird diese Musik zu mögen, weil es ja eh keine Möglichkeit gibt sie zu vermeiden. Was den Krimianteil angeht, so finde ich es immer wieder spannend zu sehen wie früh Agatha Christie schon Hinweise in ihre Geschichten einbaut und wie unschuldig das alles wirkt, wenn noch nicht klar ist, worauf die Handlung hinauslaufen wird. Mit dem Wissen um die Details rund um den Mord (bzw. die Morde) lassen sich dafür so viele Untertöne wahrnehmen – ich vermute, dass das einer der Gründe ist, wieso sich ihre Romane so gut immer wieder lesen lassen.

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Donnerstag (10.11.) – Kapitel 6 bis 10

Ich finde es spannend, dass Miss Marple zwar immer von Agatha Christie überzeugend als alte Frau dargestellt wird, dass aber erst in den späteren Romanen kleine Beobachtungen und Anmerkungen auftauchen, die diese Darstellungen noch etwas mehr „ausfüllen“ (so wie hier die Bemerkung über Miss Marples altersbedingten leichten Schlaf). Für mich ist das ein deutliches Anzeichen, dass die Autorin mit ihrem eigenen altern immer häufiger eigene Erfahrungen einfließen lassen konnte, wenn es um diese Elemente ging. Was ich auch schön finde, ist, wie Miss Marple Major Palgrave als vollkommen uninteressant für ihre Ermittlungen einstuft. Auch wenn er das Opfer des Mordes ist, so ist für sie ganz eindeutig, dass er nur ermordet wurde, weil er so schwatzhaft war und nicht weil es irgendetwas in seinem Leben gab, was jemanden zum Mord getrieben hätte. Ich finde das eine erfrischende Abwechslung zu all den Kriminalfällen, bei denen es erst einmal darum geht mehr über das Opfer herauszufinden.

Überhaupt ist es wie immer ein Vergnügen all die kleinen Beobachtungen zu den verschiedenen Charakteren zu lesen, darüber wie unauffällig eine alte Frau wie Miss Marple ist, darüber, dass jemand wie Mr. Rafiel grundsätzlich Vorschläge, die nicht von ihm kommen, ablehnt, selbst wenn sie in seinem Interesse sind, oder darüber wie Senora de Caspearo über eine andere Frau urteilt, die die Aufmerksamkeit von Männern sucht. Und dann natürlich das Gespräch des Ehepaars mit dem Arzt und wie natürlich es wirkt, dass der Mann die Gesprächsführung übernimmt (weil das nun mal viele Männer tun würden, auch wenn sie keine Ahnung von der Materie haben). 😉 Etwas weniger vergnüglich ist es all die kleinen Bemerkungen über Victoria zu lesen. Auf der einen Seite wird die junge Frau als klug und schön dargestellt, auf der anderen Seite schimmert immer wieder so viel (wie ich vermute unbewusster) Rassismus durch. Ich glaube nicht, dass Agatha Christie bewusst war, wie rassistisch einige ihrer Beschreibungen klingen, und ich würde sogar behaupten, dass sie in vielen Dingen weniger rassistisch war, als andere Frauen ihrer Zeit und dass sich um eine positive Darstellung dieser Figur bemüht hat, aber das ändert nichts daran, dass es diese Elemente in ihren Romanen gibt.

Ansonsten ist es immer wieder schön einen Agatha-Christie-Roman zu lesen und all die kleinen Hinweise aufzusammeln, die erst dann wirklich ins Auge fallen, wenn einem die Hintergründe der Geschichte schon bekannt sind …

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Dienstag (15.11.) – Kapitel 11 bis 14

Ich mag es sehr wie dieser kleine Absatz aus Mollys Sicht zeigt, wie einfach es für jemanden, dem sie vertraut, ist, in ihr Zweifel an sich selbst zu wecken. Und gleich im Anschluss diese ganzen Untertöne bei den Szenen mit Gregory Dyson … so eine gute Mischung aus „ich als Leser*in weiß genau, was für einen Typ Mann Agatha Christie da beschreibt“ und „ganz natürliche Verbreitung von Informationen“. Ich finde es spannend, dass die Szene mit Victoria so aufgebaut ist, dass einem dieser Moment sofort in den Sinn kommt, wenn der nächste Mord passiert, während die folgenden Absätze so alltäglich wirken, dass sie gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, dass auf diesem Weg der Mörder eventuell an für ihn wichtige Informationen gekommen ist. (Schwierig auszudrücken, wenn ich nicht zu sehr spoilern will – wobei ich niemandem diese Lesezeit-Beiträge empfehlen würde, der die Geschichten nicht schon kennt …)

Fast schon lustig finde ich das in diesen Romanen Dienstboten immer in zwei Kategorien fallen: Die Gierigen, die ihre Arbeit nicht gut machen und immer mehr wollen als sie haben, und die Treuen Seelen, die auch Jahre später noch als verlässliche Stützen zur Verfügung stehen. Nur sehr selten gibt es eine dritte Variante, die dann (in der Regel weiblich) überaus intelligent und effizient ist und genau weiß, welchen Wert ihre Arbeit für andere Personen hat. *g*

Dann noch diese Szenen rund um die Ehe der Hillingdons – fast schon zu plakativ wie Agatha Christie da aufzeigt, dass kein Außenstehender wirklich beurteilen kann wie die Beziehung zweier Menschen wirklich ist. Und der arme sensible Mann, der von seiner Frau aus einer Situation, in die er aus lauter Dummheit geraten ist, gerettet werden muss, gehört auch zu den immer wieder auftauchenden Motiven in ihren Geschichten … spannend finde ich, wie viele Seiten Evelyn in diesen beiden Kapiteln (11-13) zeigen darf und wie fürsorglich/mütterlich sie – neben alle den anderen Facetten – gegenüber einer ihr relativ fremden Frau sein darf.

Und ich frage mich, wie es sein kann, dass Agatha Christie auf der einen Seite eine Figur wie Inspector Weston schaffen und auf der anderen Seite eine Szene schreiben kann, in der Victorias Lebensgefährte mit gerade mal zwei Sätzen so viele rassistischen Vorurteile bestärkt, während er sich beim Verhör dumm stellt. Auf der anderen Seite lässt sie den Inspector relativ klar sagen, dass die Gebräuche auf der Insel vielleicht anders sind als es ein konservativer Brite gewohnt ist, aber das es diesem Briten nicht zusteht dies zu verurteilen. Und gleichzeitig gibt es eine nicht weniger deutliche Aussage dazu, wie es um die Moral vieler Briten steht, die die West Indies besuchen.

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Freitag (18.11.) – Kapitel 15 bis 19

Ärgerlicherweise konnte ich gestern keine Lesezeit einrichten, aber dafür geht es heute weiter mit „A Caribbean Mystery“. Ich mochte es, die diversen ersten Vernehmungen zu verfolgen, weil ich es immer wieder beeindruckend finde, wie Agatha Christie die Figuren klingen lässt. Hier vermittelte sie vor allem den Eindruck, als ob die meisten Personen Molly beschützen wollten, was eine wunderbare Ablenkung von eventuellen eigenen Motiven darstellte. Ich mag es sehr, wie sie es auf der einen Seite schafft, dass ich Charaktere sympathisch finde und auf der anderen Seite jedes Wort anzweifel, das geäußert wird. 😉

Außerdem fand ich diese kleine Szene mit Miss Marple spannend, in der ihr bewusst wird, wie sehr sie sonst doch auf ihr vertrautes Umfeld angewiesen ist. Auf den Chefinspektor, der sie gut genug kennt, um selbst vage Gedanken von ihr ernst zu nehmen, auf den Patensohn, der Informationen beschafft oder Kontakt zu Behörden herstellt … Den Klatsch und Tratsch bekommst sie auch ohne ihre Freunde in Erfahrung und ihre Lebenserfahrung filtert dann die wichtigen Informationen heraus, aber was soll sie mit diesen Informationen anfangen, wenn sie niemanden in der richtigen Position hat, an den sie sich damit wenden kann? Und dann der Moment, in dem Mr. Rafiel ihr eingesteht, dass er sie deutlich unterschätzt hat – ich mag es sehr, wie diese beiden alten Menschen miteinander umgehen. Sie mit sichtbarer Toleranz, die von genügend Selbstbewusstsein zeugt, dass sie mit seinen Marotten umgehen kann, er mit erstaunlich viel Entgegenkommen für einen solch schroffen und egozentrischen Menschen. Ein überraschend gutes Team und wunderbar unterhaltsam, gerade weil die beiden aus so vollkommen unterschieden Welten kommen.

Interessant finde ich es auch, dass die Erzählweise dafür sorgt, dass die Leser*innen eigentlich nicht daran zweifeln, dass die Mördergeschichte des Majors sich um einen Mann drehte, der seine Frauen umbrachte, obwohl Agatha Christie immer wieder betont, dass niemand dem Major aufmerksam zugehört hat und dass er auch einige Geschichten über Mörderinnen hatte. Aber allein die Tatsache, dass Edward Hillingdon seiner Frau schon gestanden hat, dass er – in gewisser Weise – an einem Mord beteiligt war, führt dazu, dass ich all diese falschen Spuren nicht ernst nehmen kann. Als Leserin weiß ich da in diesem Moment mehr als Miss Marple und habe deshalb das Gefühl, dass dieser Teil vernachlässigbar ist. Wobei ich gern wüsste, ob jemand, der die Geschichte (oder überhaupt Agatha Christie Romane) nicht so gut kennt, darauf reinfallen würde oder nicht.

Dienstag (22.11.) – Kapitel 20 bis Ende

Oh, ich liebe es, wie Agatha Christie es ganz natürlich wirken lässt, dass in der Regel über und nicht mit einer bestimmten Person gesprochen wird und wie das die Sicht auf diese Person beeinflusst! Und wie schön in Jacksons Gebrabbel Hinweise eingestreut wurden … 😉 Auf der anderen Seite gibt es Aussagen von Esther Walters, bei denen ich schon fast das Gefühl habe, die Autorin war sich nicht sicher, ob sie genügend/überzeugende Hinweise auf die von ihr geplante Auflösung eingebaut hätte, weshalb sie noch einmal eine Schippe draufgelegt hätte. Ich weiß nicht, ob das nötig gewesen wäre, auch wenn damit natürlich ein weiteres Motiv für den Mörder angedeutet wird …

Alles in allem nicht mein Lieblingskrimi von Agatha Christie, aber es gibt so viele schöne „menschliche“ Elemente, die ich auch dieses Mal wieder genießen konnte, und es ist immer wieder nett Miss Marple außerhalb ihrer Komfortzone anzutreffen – nur um dann doch zu sehen, dass die menschliche Natur für sie überall gleich durchschaubar ist. Was ich, glaube ich, am Liebsten an dieser Geschichte mag, ist die Freundschaft, die zwischen ihr und Mr. Rafiel entstanden ist, wie sie sich gegenseitig wertschätzen, obwohl sie aus so unterschiedlichen Gesellschaften kommen und so wenig zusammenpassen.

Oh, und was mir noch aufgefallen ist: Meine deutsche Übersetzung (erschienen im Jahr 1991, allerdings als 18. Auflage) ist deutlich rassistischer in der Sprache, als es Agatha Christie 1964 in ihrem Originaltext war. Ich muss zugeben, dass ich das nicht 100%ig sicher sagen kann, aber bei Agatha Christie werden Begriffe verwendet, die – soweit ich das sagen kann – in ihrer Zeit als angemessen und „respektvoll“ erachtet wurden, und ja, es lässt sich hier die Frage aufwerfen, ob bei einer aktuellen Ausgabe dieses Romans eine Überarbeitung angebracht gewesen wäre. Bei meiner deutschen Ausgabe aus dem Jahr 1991 hingegen wurden Begriffe verwendet, die nicht nur 1991, sondern auch schon im Jahr 1964 eindeutig rassistisch waren. Selbst wenn also jemand beim Übersetzen in den 1960er Jahren der Meinung gewesen wäre, dass das schon richtig sei, hätte bei einer der vielen folgende Auflagen definitiv jemand einschreiten und dort Änderungen vornehmen müssen.

Cat Gray: Spellstoppers

Ich habe keine Ahnung mehr, wo ich über „Spellstoppers“ von Cat Gray gestolpert bin, aber so lange kann das Buch noch nicht auf meinem eReader geschlummert haben, als ich es im August gelesen habe. Die Handlung wird aus der Sicht des zwölfjährigen Max erzählt, der seit Jahren ein riesiges Problem hat. Jedes elektrische Gerät, das er berührt, geht kaputt, während er selbst einen heftigen und sehr schmerzhaften Schlag bekommt. Nachdem er – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen – mit dem neuen elektrischen Auto seiner Mutter in Berührung kam, sieht seine Mutter ein, dass es so nicht weitergehen kann, und schickt Max in den kleinen Ort Yowling zu seinem Großvater Bram. Zu seiner großen Überraschung eröffnet Bram ihm, dass es so etwas wie Magie wirklich gibt und dass Max selbst von einer langen Linie von Spellstoppern abstammt.

Spellstopper sind Personen, die in der Lage sind, die Magie anderer zu neutralisieren. Und da Elektrizität und Magie sich nicht unähnlich sind, muss Max seine Fähigkeit in den Griff bekommen, bevor er noch einmal den Umgang mit elektrischen Geräten riskieren kann. Bram ist auch nicht der einzige Bewohner von Yowling, der über eine magische Fähigkeit verfügt. Der gesamte Küstenort wird von Personen bewohnt, die Magie besitzen oder selbst magisch sind. Dabei zittern sämtliche Bewohner von Yowling seit Generationen vor den Keepern, die die Aufsicht über das magische Schloss vor der Küste des Ortes haben und so mächtig sind, dass sie alle anderen Einwohner terrorisieren können. Als Bram entführt wird, um für den aktuellen Keeper zu arbeiten, muss Max gemeinsam mit seiner neuen Freundin Kit alles versuchen, um seinen Großvater zu retten – auch wenn das bedeutet, dass er seine gerade erst entdeckte Magie gegen eine unvorstellbar böse Macht einsetzen muss.

Es gibt viele Elemente in „Spellstoppers“, die mir sehr viel Spaß gemacht haben. Die Beschreibungen des kleinen Ortes Yowling habe ich zum Beispiel sehr genossen, ebenso wie die Begegnungen mit vielen der Einwohner, die Max im Laufe der Zeit kennenlernt. Überhaupt gibt es in der Geschichte wirklich viele schöne magische Elemente, die den Alltag in Yowling prägen, während gleichzeitig auch jemand wie Kit, die über keine Magie zu verfügen scheint, einen festen Platz in der magischen Gemeinschaft finden kann. Auf der anderen Seite hatte ich immer wieder ein Problem mit dem Handeln der verschiedenen Charaktere. So finde ich es auch einige Zeit nach dem Lesen des Romans noch immer unglaublich, dass die Mutter von Max ihn jahrelang mit seinem Problem kämpfen ließ und dabei zusah, wie er immer einsamer wurde, obwohl sie genau wusste, dass ihr Vater dem Jungen helfen könnte. Selbst wenn sie nicht wieder nach Yowling zurückkehren wollte, so habe ich nicht das Gefühl, dass eine liebevolle Mutter ein solches Problem ihres Sohnes ignorieren würde, um zu hoffen, dass er schon nicht deshalb sterben wird. Cat Gray lässt die Mutter zwar am Ende noch einmal deutlich sagen, dass sie all das nur getan hat, weil sie Max vor der dunklen Seite der Magie beschützen wollte, aber mich überzeugt das einfach nicht.

Auch bei Max gibt es immer wieder Momente, in denen er auf eine Art und Weise handelt, die ich für ihn als Charakter unglaubwürdig finde und bei denen ich das Gefühl hatte, dass das für die Autorin halt der einfachste Weg war, um die Handlung weiterzuführen. Was dazu führt, dass ich mich, obwohl ich „Spellstoppers“ insgesamt eigentlich nett fand, immer wieder schrecklich über bestimmte Szenen geärgert habe. Deshalb werde ich wohl nicht zu einem weiteren Buch von Cat Gray greifen, obwohl die Autorin so viele hübsche fantastische Ideen verwendet hat. Es ärgert mich einfach zu sehr, wenn Charaktere so widersprüchlich dargestellt werden, obwohl es so viele andere Möglichkeiten gäbe, um diese Elemente innerhalb der Geschichte zu klären. Ganz ehrlich, mir sind auf Anhieb drei verschiedene Ideen einfallen, die problemlos erklären könnten, wieso die Mutter Max nicht früher mit ihrem Vater in Verbindung gebracht hat und bei denen sie weiterhin als liebevolle und sympathische Person dastehen würde. Wenn eine Autorin es nicht auf die Reihe bekommt, aus ihren Charakteren glaubwürdige Figuren zu machen, dann finde ich das als Leserin wirklich unbefriedigend.

Catherine Coles: Murder at the Manor (Tommy & Evelyn Christie 1)

„Murder at the Manor“ von Catherine Coles ist der erste Teil einer (bislang) achtteiligen Krimi-Reihe rund um Evelyn und Tommy Christie. Die Handlung spielt in den 1920ern in Yorkshire, und es gelingt der Autorin meiner Meinung nach recht gut, die Atmosphäre klassischer britischer Cozies einzufangen. Die Geschichte wird zum Großteil aus der Sicht von Evelyn erzählt, die vor einigen Jahren Tommy Christie geheiratet hat, der zur Familie des Earl of Northmoor gehört. Dabei wird schon recht früh deutlich, dass weder Evelyn noch Tommy besonders angetan von Tommys Verwandtschaft sind und beide – statt den Beginn der Jagdsaison auf dem Familiensitz zu verbringen – lieber gemütlich zuhause in ihrem kleinen Cottage wären. Als dann der Earl of Northmoor stirbt und schnell der Verdacht im Raum steht, dass er vergiftet worden sein könnte, versucht das Ehepaar mehr über die Personen herauszufinden, die das Wochenende über im Haus waren.

Ich fand „Murder at the Manor“ wirklich sehr nett zu lesen, auch wenn (oder gerade weil?) die Handlung ein bisschen vor sich hinplätschert. Evelyn ist eine sympathische Figur, deren Perspektive ich gern verfolgt habe. Ich mochte, dass sie häufig unsicher ist, weil sie wenig mit den Traditionen von Tommys adeliger Familie anfangen kann, sich aber trotzdem bemüht, all diese Dinge zu respektieren. Und noch mehr mochte ich, dass sie trotz all ihrer Unsicherheit Rückgrat hat und Grenzen setzen kann, wenn eines von Tommys Familienmitglieder zu weit geht. Sehr viele Elemente in der Handlung erinnern an all die Romane von Agatha Christie, in denen im engen Familien- und Freundeskreis ein Mord begangen wird, wobei Catherine Coles‘ Erzählweise – besonders wenn es um zwischenmenschliche Elemente und Evelyns Gedanken zu ihrer eigenen Position als Frau in der Gesellschaft geht – immer wieder verrät, dass dieser Roman erst vor wenigen Jahren geschrieben wurde.

Ein wenig schmunzeln musste ich zum Beispiel bei all den Szenen, in denen Evelyn die Dienstboten zu diversen Themen und Vorfällen befragt und dabei recht gemütlich mit ihnen schwatzt, weil diese Momente so gar nicht mit den Eindrücken zusammenpassen, die ich in den letzten Monaten durch das Lesen von „The Cook’s Tale“ und „Below Stairs“ zum Verhältnis zwischen Dienerschaft und Herrschaft bekommen habe. Aber innerhalb des Romans funktionieren Evelyns Versuche, ein freundschaftliches Verhältnis zu Köchin, Küchenmädchen und Haushälterin aufzubauen, sehr gut, also konnte ich definitiv damit leben. Spannend fand ich es auch, dass Catherine Coles der Polizei keine nennenswerte Rolle in diesem Kriminalroman einräumte. Auf der einen Seite ist es schon wichtig, dass sowohl Tommy als auch Evelyn früher für die Polizei gearbeitet haben, nun aber aufgrund ihrer Verstrickungen mit der Familie nicht in die Ermittlungen einbezogen werden dürfen, auf der anderen Seite gibt es keinerlei Szenen, in denen Polizeiarbeit beschrieben wird.

Auch bei der Auflösung des Falls scheint es weniger wichtig zu sein, belegbare Beweise für die Polizei (und ein späteres Gerichtsverfahren) zusammenzubringen, statt die Unschuld derjenigen zu beweisen, die ohne eigenes Zutun von den Verbrechen profitiert haben. Dann ist da noch all das Beziehungschaos innerhalb von Familie und Freundeskreis, das es aufzuräumen gilt, um den Fall zu klären, wobei Tommy die Polizei immer informiert, wenn er oder seine Frau etwas Wichtiges für die Ermittlungen erfahren haben, so dass die offiziellen Ermittler zwar nur eine geringe Rolle spielten, aber auch nicht als unfähig oder gar feindlich dargestellt werden. Insgesamt fand ich es überraschend unterhaltsam und entspannend, mit Evelyn (und Tommy) durch das Herrenhaus zu streifen und die Geheimnisse all der anwesenden Personen zu entdecken. Auch wenn ich nicht das Gefühl habe, dass der Roman einen langanhaltenden Eindruck bei mir hinterlassen hat, so kann ich mir doch gut vorstellen, in Zukunft weitere Geschichten mit Evelyn und Tommy zu lesen (und dabei herauszufinden, wie viel Gin Tonic Tommys Tante Em wohl benötigen wird, um den nächsten Mordfall zu überstehen).

India Holton: The Wisteria Society of Lady Scoundrels (Dangerous Damsels 1)

Ich muss gestehen, dass als erstes das Cover von „The Wisteria Society of Lady Scoundrels“ meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat – aber dann wurde ich von dem Klappentext etwas abgeschreckt. Die Idee von Piratinnen, die in fliegenden Häusern unterwegs sind, klang zwar reizvoll, aber ich war mir nicht sicher, ob ich eine Kombination aus dieser Idee und den typischen Historical-Elementen lesen wollen würde. Aber so ganz hat mir der Roman von India Holton keine Ruhe gelassen, weshalb ich den Titel zum Jahresende auf meine Wunschliste gesetzt (und prompt geschenkt bekommen) habe. Da ich weiterhin nicht sicher war, was mich da erwartet, habe ich das Buch dann relativ zügig aus dem SuB befreit und trotz eines erschreckenden Mangels an Lesezeit habe ich die ersten Kapitel auch ziemlich schnell durchgelesen.

Es gab so viele absurde Ideen in dem Roman, die ich wirklich mochte, wie die Entstehungsgeschichte der Wisteria-Society, oder die Selbstverständlichkeit, mit der all diese Damen über ihre Diebstähle redeten oder Morde planten. Auf der anderen Seite gab es aber immer wieder Dinge, die mich irritierten oder mir das Gefühl gaben, dass die Autorin ein Element eingebaut und sich dabei die ganze Zeit gedacht hat, dass die Leser.innen darüber ganz bestimmt lachen werden, obwohl es meiner Meinung nach da vollkommen unangebracht oder eben nicht amüsant war. Humor ist immer eine schwierige Gradwanderung, aber ich möchte beim Lesen spontan vor mich hinkichern und nicht nach einer Passage dastehen und denken „das sollte wohl lustig sein“. Dazu kamen so einige Szenen, die bei mir den Eindruck hinterließen, dass sich India Holton auf die diversen Vorurteile bezüglich historischer Kleidung/viktorianischem Benehmen usw. gestürzt hat, ohne zu recherchieren, wie es wirklich war (und dabei gibt es im englischsprachigen Raum so vielen aktuelle Veröffentlichungen, die zum Beispiel darüber aufklären, dass das Korsett kein Folterinstrument war, das den Frauen vom Patriachart aufgezwungen wurde).

Außerdem hat die Autorin sehr viele Anspielungen auf die Brontës (vor allem „Wuthering Heights“, das die Protagonistin die ganze Zeit mit sich rumschleppt, weil sie illegitim von Branwell Brontë abstammt und die Liebesgeschichte ihrer Eltern an die Protagonisten von „Wuthering Heights“ erinnert) eingebaut, und ich muss zugeben, dass ich zwar brav (fast alle*) meine Klassiker gelesen habe, aber mit den Brontës nie viel anfangen kann. So viel unnötiges Drama und so viele … überbordende Emotionen … nichts davon ist für mich romantisch, und beim Lesen habe ich immer nur das Bedürfnis, alle Beteiligten zu schütteln. 😉 Äh, ja, so viel zu meinem Verhältnis zu den Brontës – wobei ich schon regelmäßig darauf neugierig bin, wie andere Autoren die von Charlotte und Emily verwendeten Elemente und Figuren aufgreifen und in ihre eigenen Geschichten einweben. Aber hier hat das für mich nicht funktioniert, weil diese Dinge weder gut aufgenommen wurden noch für mich in das Piraten-Society-Thema passten.

Das alles führte dazu, dass ich mit dem Buch immer ungeduldiger würde und immer nörgeliger auf Kleinigkeiten reagierte, über die ich wohl sonst einfach hinweggelesen hätte. Und als ich mich dann dabei ertappte, dass ich meine Lesezeit lieber damit verbrachte, Putzvideos auf Youtube zu gucken oder zuzuschauen, wie mein Mann bei seinem aktuellen Videospiel einen LKW durch Schneelandschaften lenkt (und glaubt mir, das ist als Zuschauerin nicht gerade spannend zu verfolgen *g*), habe ich beschlossen, dass ich „The Wisteria Society of Lady Scoundrels“ von India Holton lieber abbrechen und aussortieren werde. Ich wollte diesen Roman so gern mögen, aber es hat einfach nicht mit mir und dieser Geschichte gepasst …

(* Mir fehlt immer noch Anne Brontë, aber nachdem Helma vor Kurzem „Agnes Grey“ rezensiert hat, glaube ich nicht, dass das der passende Roman für mich wäre. Vielleicht versuche ich mein Glück mal mit „The Tenant of Wildfell Hall“ oder ich gebe die fiktiven Werke der Familie Brontë einfach auf und lese stattdessen lieber Biografien, die sich mit ihnen beschäftigen. Letztere fand ich als Teenager sehr spannend! *g*)

Phil Hickes: The Bewitching of Aveline Jones (Aveline Jones 2)

Nachdem ich „The Haunting of Aveline Jones“ von Phil Hickes Anfang des Jahres gelesen hatte, bekam ich große Lust auf weitere unheimliche Geschichten mit Aveline. In „The Bewitching of Aveline Jones“ verschlägt es das Mädchen gemeinsam mit seiner Mutter in den Sommerferien nach Norton Wick. Der kleine Ort liegt in der Nähe von Bristol, wo die beiden wohnen, und so ist Aveline nicht ganz so begeistert davon, dass sie ihren Urlaub dort verbringen soll, statt wie ihre Mitschüler an den Strand oder gar ins Ausland zu fahren. Zum Glück gibt es direkt hinter ihrem Ferienhaus die mysteriösen Witch Stones, und so ist Aveline fest entschlossen, in den kommenden Tagen gemeinsam mit ihrem Freund Harold mehr über diesen uralten Steinkreis herauszufinden. Doch bevor Harold, sein Großonkel Ernst Liebermann und Avelines Tante Lilian in Norton Wick eintreffen können, macht Aveline schon die Bekanntschaft von Hazel Browne.

Hazel ist ein Mädchen, das anscheinend ebenso an übernatürlichen und unheimlichen Dingen interessiert ist wie Aveline selbst. Mit Hazel befreundet zu sein, ist für Aveline etwas ganz Aufregendes und Neues, und so dauert es seine Zeit, bis sie dahinterkommt, dass Hazels Freundschaft vielleicht doch nicht so unkompliziert und ungefährlich ist, wie sie anfangs glaubte. Für den Leser hingegen wird schon recht früh deutlich, was mit Hazel los ist, aber ich muss sagen, dass mich diese Diskrepanz zwischen meiner eigenen Wahrnehmung und Avelines Naivität nicht gestört hat. Stattdessen hat es Phil Hickes geschafft, dass ich mich darüber amüsierte, dass Aveline ständig auf der Suche nach gruseligen Dingen ist, aber dann doch so rationell ist, dass sie für all die unheimlichen Vorfälle in Norton Wick immer wieder eine ganz „vernünftige“ Erklärung findet. Außerdem habe ich gespannt darauf gewartet, dass Aveline all die kleinen Hinweise und Informationen, die sie im Laufe der Geschichte erhält, zu einem stimmigen Bild zusammensetzt – und welche Folgen das dann wohl auf ihre Freundschaft zu Hazel haben wird.

So schön ich all die atmosphärischen Beschreibungen und unheimlichen Szenen fand, so habe ich doch vor allem wieder das Verhältnis zwischen Aveline und Harold sowie zwischen ihr und ihren Familienmitgliedern genossen. Aveline und ihre Mutter gehen offen und respektvoll miteinander um, und auch wenn ihre Mutter ihr nicht immer alles glaubt, so kann sich Aveline sicher sein, dass ihre Mutter sie liebt und für sie da ist. Harold hingegen glaubt Aveline nicht nur, wenn sie ihm von all ihren abwegigen und gruseligen Erlebnissen erzählt, er unterstützt sie auch die ganze Zeit. Selbst als er zwischendurch von Aveline zugunsten von Hazel „vernachlässigt“ wird, ist er ihr nicht böse. Stattdessen hört er Aveline zu, als sie ihm erklärt, wie es dazu gekommen ist, dass sie ihn alleingelassen hat, um Zeit mit Hazel zu verbringen. Und natürlich besorgt Harold für Aveline all die Bücher rund um Steinkreise, Druiden, Hexen und den Ort Norton Wick, in denen die beiden all die wichtigen Informationen finden, die Aveline dringend benötigt.

Obwohl die Handlung Ende August spielt und die sommerliche Hitze immer wieder ein Thema ist, hat sich die Geschichte auch ganz wunderbar Ende Oktober lesen lassen, als ich Lust auf etwas (herbstlich) Gruseliges hatte. Weshalb ich mich wirklich sehr gefreut habe, als ich am Ende des Buches eine Ankündigung für einen dritten Aveline-Jones-Roman entdeckt habe, dieses Mal mit dem Titel „The Vanishing of Aveline Jones“. Es steht leider nicht dabei, wann das Buch erscheinen wird, aber ich vermute, ich kann mich darauf verlassen, dass ich auch im nächsten Jahr im Herbst wieder eine unterhaltsame und unheimliche Aveline-Jones-Geschichte neu entdecken kann. Oh, und wer nun Lust auf die Romane hat, aber lieber auf Deutsch liest: Beide schon erschienen Bücher sind beim Arena Verlag veröffentlicht worden, der erste Band mit dem Titel „Aveline Jones und die Geister von Stormhaven“ und der zweite mit dem Titel „Aveline Jones im Bann der Hexensteine“. Leider wurden die tollen Illustrationen von Keith Robinson, die mir in den Originalausgaben so gut gefallen haben, nicht vom deutschen Verlag übernommen, aber dafür gibt es Zeichnungen der Illustratorin Katja Reinki. Wobei ich zugeben muss, dass ich ihren Stil nicht ganz so atmosphärisch und etwas zu gefällig finde. Aber es ist grundsätzlich schön, wenn Verlage sich die Mühe machen, Geschichten ausgiebig zu illustrieren, und vielleicht gefallen euch die Zeichnungen ja besser als mir.

Stephanie Burgis: Scales and Sensibility (Regency Dragons 1)

„It was a truth universally acknowledged that any young lady without a dragon was doomed to social failure.“

Dies ist der erste Satz in „Scales and Sensibility“ von Stephanie Burgis und eigentlich wisst ihr damit über den Ton der Geschichte schon fast alles, was ihr wissen müsst. 😉 Dieser Titel ist die aktuellste Veröffentlichung der Autorin, obwohl sie die erste Version des Manuskripts schon vor vielen Jahren geschrieben hatte. Aber damals hieß es, dass es keinen Markt für fantastische Regency-Romane gäbe, weshalb sich Stephanie Burgis lieber auf andere Ideen konzentrierte. Wenn ich an all die Jahre denke, in denen ich fantastische Regency gesucht habe, frage ich mich, wie irgendein Agent oder Verlag auf die Idee kommen konnte, dass der Markt dafür nicht reif wäre … aber nun gut … „Scales and Sensibility“ wird aus der Perspektive von Elinor Tregarth erzählt, die nach dem Tod ihrer Eltern von ihrer Tante aufgenommen wurde. Elinor sehnt sich nicht nur sehr nach ihren beiden jüngeren Schwestern, die von zwei anderen Verwandten aufgenommen wurden, sondern auch nach einer liebevollen und respektvollen Umgebung. Sowohl ihr Onkel als auch ihre Cousine Penelope lassen Elinor ständig spüren, dass sie nur die arme Verwandte ist und dankbar sein muss, dass sie überhaupt aufgenommen wurde.

Die Tatsache, dass Elinor Penelope bei ihrer ersten Saison helfen soll (obwohl sie selbst bislang kein Debüt hatte) und von ihrer Cousine ebenso schlecht wie die Dienstmädchen behandelt wird, macht es für die junge Frau nicht einfacher. Und dann gibt es da noch den kleinen Drachen Sir Jessamyn, der – wie es sich bei einer Dame der Gesellschaft gehört – dekorativ auf Penelopes Schulter sitzen sollte, aber stattdessen so viel Angst vor seiner Besitzerin hat, dass er regelmäßig seinen Darm auf ihren Kleidern entleert. Als Penelope ihn deswegen beinah verletzt, platzt Elinor der Kragen, was zur Folge hat, dass sie gemeinsam mit Sir Jessamyn das Haus verlässt. Ohne Geld, ohne eine Unterkunft in Aussicht und mit einem (gestohlenen) Drachen auf der Schulter scheint Elinors Schicksal besiegelt, doch dann überrascht Sir Jessamyn die junge Frau mit einer unerwarteten Fähigkeit, und außerdem macht Elinor die Bekanntschaft von Benedict Hawkins, dessen Geldsorgen ihn dazu bringe, dass er die Hand von Penelope gewinnen will. Mit der Hilfe von Sir Jessamyn, und um Benedict bei seinem Vorhaben zu unterstützen, landet Elinor inmitten einer trubeligen Hausparty, bei der sie jederzeit als Hochstaplerin und Diebin eines kostbaren Drachens enttarnt werden könnte. Dazu kommt noch, dass es auch noch andere Gäste bei dieser Gesellschaft gibt, die sich mit ganz eigenen (unlauteren) Motiven dort eingefunden haben.

Mir hat „Scales and Sensibility“ wirklich viel Freude beim Lesen bereitet, auch wenn ich die ganze Zeit sehr mit Elinor mitgelitten habe. Die junge Frau ist eigentlich ein sehr ehrlicher und offenherziger Mensch, und die Scharade, die sie mit allen Anwesenden bei dieser Hausparty spielen muss, gefällt ihr so gar nicht. Aber jedes Mal, wenn sie offen und ehrlich sein will, passiert etwas, das dafür sorgen würde, dass ein anderer Mensch darunter leiden müsste, wenn sie ihre Identität aufdecken würde. Also wird Elinor immer weiter gezwungen, Theater zu spielen und gleichzeitig Wege zu finden, um mit den diversen Erpressungen und Bedrohungen umzugehen und natürlich Benedict bei seinen Bemühungen um Penelopes Hand zu unterstützen. Trotz all dieser unangenehmen Situationen für Elinor ist die Geschichte wirklich lustig und ich habe ständig vor mich hingekichert, während es zu Missverständnissen zwischen den verschiedenen Figuren, etwas zu offenherzigen Aussagen von Elinors Tante und ähnlichen Momenten kam. Doch vor allem mochte ich einige der Charaktere wirklich gern und wollte unbedingt wissen, wie es mit ihnen weitergeht.

Allen voran natürlich Elinor, deren Zuneigung zu ihren Schwestern und Sir Jessamyn wirklich schön zu lesen war, auch wenn sie beides immer wieder in Schwierigkeiten gebracht hat. Ebenso mochte ich Benedict Hawkins sehr gern, der zwar ein Mitgiftjäger ist, aber nicht nur gute Gründe dafür hat, sondern auch ein freundlicher, ehrbarer und hilfsbereiter Mensch ist. Dazu kommen noch Figuren wie Benedicts bester Freund Cornelius Aubrey, dessen geistesabwesende Gelehrsamkeit vielleicht etwas übertrieben ist, aber für wunderbar amüsante Momente sorgt, oder Elinors Tante, die im Laufe der Geschichte entdeckt, wie befreiend es doch sein kann, einfach nur offen die eigene Meinung zu äußern. Ich mochte diesen Roman wirklich gern und ich habe große Lust, mehr von Elinor, ihren beiden Schwestern (die bislang nur durch Elinors Erinnerungen bekannt sind) und natürlich diese ungewöhnlichen kleinen Drachen und ihre überraschenden Fähigkeiten zu lesen. Zum Glück plant Stephanie Burgis zwei weitere Regency-Dragon-Romane, in denen dann Elinors Schwestern die Protagonistinnen sein werden.